Filmkritik
Sanfter Fantasie-Ethno-Porno-Krimi
Der 1966 in Südrussland geborene Alexei Fedorschenko erzählt in Rückblenden eine Dreiecksbeziehungsgeschichte, die er in das Feuerbestattungsritual einer angeblich arachaischen Kultur einbettet. Auch wenn man endlich merkt, dass einem da ein riesiger russischer Bär aufgebunden wird, kann man die grandiosen Bilder geniessen, die am Filmfestival in Venedig preisgekrönt wurden.
Der Erzähler ist ein in die Jahre gekommener talentloser Möchtegernschriftsteller, der seine Brötchen in einem Industriebetrieb verdient und seine Schreibstube in einer Kreuzung aus Badezimmer und Küche eingerichtet hat. Er ist zwar unverheiratet, aber eine langjährige Beziehung verband ihn mit der Frau seines Chefs, die eben verstarb. Unklar ist ihm, ob sein Chef inzwischen Wind von der Affäre bekommen hat und sich möglicherweise an ihm rächen will, als er ihn bittet, mit ihm ein aufwendiges Feuerbestattungsritual zu vollziehen. Sie gehören beide dem im Reich der Fantasie siedelnden Volk der Merja an, deren Kultur spezielle Riten vorschreibt, die Fedorschenko genüsslich präsentiert. Einiges wirkt dabei wie an den Schamhaaren herbeigezogen, aber mit der Macht der wunderschön gefilmten Bilder und der bedachtsam gewählten Worte kann er einen gewissen Sog erzeugen, der einen anfangs auch Unwahrscheinliches glauben lässt. Die Geschichte beruht auf dem Roman "Goldspecht" von Aist Sergejew und ist mehr Vorwand als Inhalt, denn bald sind die beiden Protagonisten mit der Frauenleiche im Auto unterwegs und pflügen durch unendliche, fast menschenleere Landschaften.
Der Witwer erzählt ausführlich von den sexuellen Aspekten seines ehemaligen Ehelebens, und dem Beifahrer wird zusehends mulmig dabei. Immer wieder werden Episoden mit Rückblenden bebildert oder in Einschüben die vorgeblich archaischen Bräuche geschildert wie die Entjungferungspraxis, doch immer bleibt der Ton sachlich. Man muss schon genau hinsehen und -hören, dass man die Ironie und die Diskrepanz richtig interpretiert, die sich zwischen den beiden manchmal beinah unabhängigen Ebenen der Bilder und Worte auftun. An der stilistischen Unaufgeregtheit und Konzentriertheit scheint die Entwicklung des Filmautors durch, der zunächst ein technisches Fach studierte und sich erst als Ingenieur dem Film zuwandte, wo er jahrelang Dokumentarfilme produzieren half und auch selbst einige drehte. Das Fi(c)ktionale zog ihn anscheinend so sehr an, dass er nach einer Form suchte, die beides verbindet und Raum für seine erotischen Fantasien lässt.
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Kommentare
Eine poetische Bizarrerie mit Bildern von trostlos grossartiger Strahlkraft, die sich wie Intarsien in meine Zuschauerseele eingefügt haben. Wer melancholische Gedichte mag, mag diesen Film. Nix für Benissimo-Fans.
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