Jean Tinguely Schweiz 2010 – 88min.
Filmkritik
Der Schrottclown
Er starb vor zehn Jahren und ist gleichwohl präsent geblieben: Jean Tinguely, Bildhauer, Skulpturkonstrukteur, Objektkünstler aus Freiburg. Das filmische Porträt zeigt den ruhelosen Egomanen in Aktion, in nachdenklichen Momenten und bei öffentlichen Auftritten, aber auch die Rezeption seines Wirkens, seiner Werke, seiner Wegbegleiter.
Stillstand war nicht sein Ding. Bei ihm bewegten sich Rädchen, Zahnräder, Ketten, Pleuelstangen, Laufwerke, Kugeln. Heute noch, beispielsweise im Tinguely Museum zu Basel. Und er bewegte sich unermüdlich, der Freiburger Jean Tinguely, 1925 geboren, in Basel aufgewachsen und im August 1991 in Bern gestorben. Rastlos, hemmungslos, ohne Rücksicht auf seinen Körper, seine Gesundheit, setzte der Berserker Schrott in Bewegung, entwarf gigantische Laufkonstruktionen und bizarre "sinnlose" Gebilde. Man erlebt den manischen Maschinenplastiker in Paris, in seiner Werkstatt, beim Schrottsammeln, an Ausstellungen, an Anlässen mit Künstlerkollegen. Partnerinnen, Wegbegleitern.
Allein Tinguelys Gefährtin Niki de Saint Phalle tritt wirklich nicht in Erscheinung. Von ihr, ihren Werken und ihrer gemeinsamen Zeit ist wohl mehrfach die Rede. Doch sie bleibt im Hintergrund, als Person unsichtbar und doch gegenwärtig. Anders als Kunstkurator Guido Magnaguagno, Regisseur Daniel Spoerri oder Eisenplastiker Bernhard Luginbühl. Sie reflektieren Tinguelys Arbeit, seine Ambitionen, die Lebenseinstellung.Hinter dem Kunstmaniak und Kulturstar wird aber auch der Mensch sichtbar, sein Kraft, seine unbeugsame Kreativität, sein Lebenswille. Tinguely selbst erzählt von gewissen Begebenheiten, wie er dem Tod von der Schippe gesprungen ist, wie er Jo Siffert, dem Rennfahrer zugetan war, der 1971 tödlich verunfallte, seinen Frauen, seinen Maschinen mit ihren demonstrativen Leerläufen, seiner Philosophie.
Der Zürcher Filmer Thomas Thümena schuf keinen Werkfilm, keine papierene Dokumentation fürs Museum, obwohl viel Archivmaterial verarbeitet wurde. Tinguely ist keine dröge Filmobiografie, wohl aber ein Porträt, das über den Schrott-Clown hinausweist. Der Film setzt sich mit einem bewegenden, teilweise anarchistischen Leben auseinander, aber auch mit existentiellen Fragen über Lebenssinn und -inhalte. Vor allem aber als Plädoyer gegen Stillstand erweist: Dieser Film wird dem rasanten und ruhelosen Tinguely und seiner Zeit gerecht, ja belebt beide auf erfrischende, teilweise heitere Weise.
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