Das Haus auf Korsika Belgien, Frankreich 2011 – 82min.

Filmkritik

Neustart am Ende der Welt

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Alle raten der Belgierin Christina (Christelle Cornil), das baufällige Haus, das sie auf Korsika von ihrer Grossmutter geerbt hat zu verkaufen. Doch die junge Frau ist sich da nicht so sicher und reist zunächst mal aus der tristen Heimat in den sonnigen Süden.

Christina hat zwar Kunst studiert, doch jetzt steht sie in der belgischen Bergarbeiterstadt Charleroi, deren wirtschaftliche Tristesse sich in den grauen und kalten Winterbildern von Hichame Alaouié spiegelt, so ohne Job da wie ihr aus Italien immigrierter Vater (Roberto D'Orazio). An die Brüder Dardenne lässt La maison corse nicht nur in dieser Schilderung des Milieus denken, sondern auch wenn die Kamera Christina hautnah im Rücken folgt. Von ihrer Grossmutter erbt die 30-Jährige ein Haus auf Korsika, von dem die anderen Familienangehörigen bislang nichts wussten. Die Eltern und auch ihr Freund (Jean-Jacques Rausin), der in einer Pizzeria arbeitet, schlagen den Verkauf vor, doch Christina ist sich nicht so sicher. Hals über Kopf bricht sie eines Tages mit dem Zug nach Korsika auf.

Doch anders als erwartet bekommt man das Meer kaum zu sehen, denn das Haus liegt nicht an der Küste, sondern inmitten der Berge, weitab von jeder Zivilisation, in einem Dorf mit gerade mal zwölf Einwohnern, in dem die Zeit still zu stehen scheint und der Schäfer Pascal (François Vincentelli) noch jeden Sommer die Ziegen auf die Alp treibt. Und auch keine prachtvolle Villa findet Christina hier vor, sondern eine ziemliche Bruchbude, an der es Einiges zu renovieren gibt. Dennoch ist die junge Frau - und mit ihr der Zuschauer - bald von der rauen Bergwelt gefangen und stösst zudem auf Spuren der Geschichte ihrer Grosseltern. Zunehmend fester fasst Christina folglich die Option ins Auge, einen radikalen Schnitt zu setzen, aus dem belgischen Alltagstrott, in dem sie wenig Zukunftsperspektiven sieht, auszubrechen und auf der Mittelmeerinsel neu zu beginnen.

Der Belgier Pierre Duculot erzählt in seinem Langfilmdebüt eine einfache und ziemlich vorhersehbare Geschichte, aber im genauen Blick für Situationen und Menschen, in der unaufgeregten Erzählweise und in der Einbettung in die Landschaft gewinnt La maison corse poetische Kraft. Als Gegenpol zur tristen belgischen Kleinstadt wird die korsische Bergwelt zwar aufgebaut, doch nie wird sie idyllisch verklärt, sondern immer auch gezeigt, was ein Leben in diesem rauen Umfeld vom Menschen abverlangt. Mit der von Christelle Cornil, aus deren Perspektive Duculot konsequent erzählt und die in jeder Szene präsent ist, frisch und natürlich gespielten Protagonistin taucht der Zuschauer ein in diese Welt und kann den Wandel und Aufbruch der jungen Frau nachvollziehen. Man sieht und spürt eben nicht nur die Härte eines Lebens ohne Strom und fliessendem Wasser, sondern auch die Kraft, die man aus diesem ursprünglichen und einfachen Leben, aus der Stille und der Reduktion auf das Essentielle beziehen kann.

15.11.2012

4

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Kommentare

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Rockabilly_ZH

vor 12 Jahren

ein sehr gefühlvoller film. gute rollenbesetzung. tolle landschaftsbilder. nicht zu kurz - nicht zu lang: ideal. spannend aber nicht too much. ein wundervoller film


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