Le sommeil d'or Kambodscha, Frankreich 2011 – 96min.

Filmkritik

Erinnerungen an die Unbeschwertheit

Filmkritik: Selina Lau-Schmidiger

Vom Goldenen Zeitalter des kambodschanischen Films ist unter dem Diktator Pol Pot fast nichts übriggeblieben: Ab 1975 wurden die Kinos bombardiert, die meisten Filmwerke zerstört und Filmschaffende hingerichtet. Doch im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung leben die Filme weiter. Der französisch-kambodschanische Dokumentarfilm folgt den Spuren der Erinnerung an die siebte Kunst, die von einer Unbeschwertheit gezeichnet war, die es heute nicht mehr gibt.

Davy Chous Grossvater war einer der grössten Filmproduzenten des Goldenen Zeitalters des kambodschanischen Films. Während seine Familie vor den Roten Khmer nach Frankreich fliehen konnte, verschwand der Filmemacher in den Wirren des Krieges. Davy Chou begibt sich nun in seinem Debütfilm auf die Spuren der glorreichen Zeit des kambodschanischen Films. Dabei wird die Filmgeschichte anhand der Erinnerung rekonstruiert.

Das kambodschanische Kino von damals zeichnete sich durch farbenfrohe, fantastische Geschichten und emotionale Melodramen aus. Musikalische Einlagen und humoristische Sketche waren ein wichtiger Bestandteil der damaligen Filme.

Davy Chou versucht mit Fragmenten der Erinnerung, die blühende Filmepoche vor den Roten Khmer nochmals aufleben zu lassen. Diese Fragmente sind beispielsweise Liebeslieder aus Melodramen, die in den Karaoke-Bars überlebt haben, heruntergekommene Studios, in denen heute Menschen wohnen oder Anekdoten der Goldenen Zeit, zum Beispiel über einen Superstar, der plötzlich nackt in einem Film auftrat.

In unaufdringlichen Bildern und emotionalen Gesprächen, die der Freude über die Erinnerung an eine bessere Zeit, aber auch der Trauer über den unabdingbar grossen Verlust Ausdruck verleihen, entwirft Davy Chou eine Skizze der kambodschanischen Filmepoche. Indem er die wenigen überlebenden Filmemacher und Schauspieler, aber auch die damaligen Kinobesucher zu Wort kommen lässt, erwacht die kambodschanische Filmkultur zu neuem Leben.

Le sommeil d'or ist ein ruhiger und melancholischer Film, der zeigt, wie Erinnerungsfragmente, puzzleartig zusammengesetzt, ein neues Universum an Bildern schaffen können. Dabei fasziniert, dass Davy Chou kaum auf Archivmaterial zurückgreifen konnte, und es ihm dennoch gelingt, ein dichtes und einheitliches Bild des kambodschanischen Kinos zu rekonstruieren. Die Tatsache, dass in einem Land, in dem der Albtraum des Krieges alles dem Erdboden gleich gemacht hat, an die Filmkultur eine solch intensive Erinnerung unter der Bevölkerung existiert, macht nachdenklich.

17.05.2013

4

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