Oslo, 31. August Norwegen 2011 – 96min.
Filmkritik
Ein Tag im Leben
Ein junger Ex-Junkie darf für einen Tag die Entzugsklinik auf dem Land verlassen, um für ein Vorstellungsgespräch in die Stadt zu fahren. Drama von Joachim Trier.
Der drogensüchtige Anders (Anders Danielsen Lie) ist seit Monaten auf Entzug. Noch ist die Rehabilitation nicht ganz abgeschlossen, aber er darf sich einen Tag freinehmen. Zuerst besucht er einen Freund, der ihm den Glauben an sich selbst zurückzugeben will. Dann will er seine Schwester sehen, aber sie versetzt ihn. Zuletzt besucht er die Party von zwei alten Freunden. Doch mit jedem Moment in der Normalität wird dem Mittdreißiger klar, dass er sich immer weiter von der Gesellschaft entfernt hat. Und dass seine Sucht ein ewiger Quell der Versuchung ist, der er kaum zu widerstehen vermag.
Oslo, 31. August beschäftigt sich mit einem Menschen, der innerlich zerbrochen ist. Anders sucht nach einem Sinn in seinem Leben, einen Grund weiterzuleben. Er wendet sich an seine Vergangenheit, die Menschen, die ihm wichtig sind. Aber deren Leben gingen weiter. Sie sind an einem gänzlich anderen Punkt als er. Während sein Leben ohne Vergangenheit ist und keine Zukunft hat.
Der Kern des Films ist die Hoffnungslosigkeit eines Menschen, der von dieser Welt abgenabelt ist. In einer Schlüsselszene sitzt Anders in einer Cafeteria und lauscht den Gesprächen der Menschen um ihm herum. Er hört leere Phrasen, ausgehöhlte Träume, aber sie alle machen deutlich: Das Leben dieser Menschen geht weiter, seines stoppte. Doch Leben ist Entwicklung, Stagnation bedeutet den Tod.
Die Hauptfigur wandelt wie ein Geist durch Oslo. Lässt der Film anfangs noch die Hoffnung keimen, dass Anders sein Leben herumreißen kann, so verfestigt sich schnell die Erkenntnis, dass dieser schicksalhafte Tag im Leben eines Verlierers der letzte sein könnte. Oslo, 31. August schmeckt auch deshalb so bitter, weil man einer Hauptfigur zusieht, die sich selbst aufgegeben hat.
Auf den ersten Blick erscheint Oslo, 31. August sehr einfach gestaltet - durch und durch trist. Aber Regisseur Joachim Trier fängt damit die innere Leere seines Protagonisten ein. Er nutzt eine kunstvolle Kamera, die Anders nie im Mittelpunkt stehen lässt. Sie zieht an ihm vorbei – so wie das Leben, so wie die Menschen. In seiner minimalistischen Wirkung ist dies ausgesprochen elegant. Ein verstörender und intimer Blick in die Seele eines Menschen. Kraftvoll, aber schwer zu verdauen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Tiefgründig aber auch ermüdend vorhersehbar. In der zweiten Hälfte ertappte ich mich wiederholt beim Checken der Uhr, wie lange der Film noch dauern würde. Da hat mir Joachim Triers Erstling "Reprise" doch um einiges besser gefallen.
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