Die Mühle und das Kreuz Polen, Schweden 2010 – 92min.

Filmkritik

Ein Bruegel wird lebendig

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der polnische Theater- und Filmregisseur Lech Majewski haucht der "Kreuztragung Christi" von Pieter Bruegel dem Älteren neues Leben ein.

The Mill and the Cross taucht gleichsam in das berühmte Gemälde ein. Pieter Bruegel der Ältere lebte im 16. Jahrhundert, zählt zur niederländischen Renaissance und malte viele Szenen bäuerlichen Lebens in Flandern. Seine "Kreuztragung", manieristisch bis ins Detail gemalt, hält verschiedene Situationen fest. Man erkennt Bauern, Mägde, Herren, spanische Besetzer, eine Kreuzigung und anderes mehr. Über der ländlichen Landschaft thront auf einer Bergspitze eine Mühle. Und mit diesem Mahlwerk beginnt der Film, mit Alltagsszenen aus der Windmühle, die wirkt wie ein göttliches Mahnmal.

Eine Landidylle? Der Eindruck täuscht. Ein junger Bursch wird von seiner Braut getrennt, spanische Häscher jagen, fassen und rädern ihn. Flandern leidet im 16. Jahrhundert unter spanischer Knute. Die katholische Kirche herrscht absolutistisch. Wer aufbegehrt, wird verfolgt und eliminiert. So ergeht es auch einem anders denkenden Freigeist, dem Sohn Marias (Charlotte Rampling): Er wird gekreuzigt. Pieter Bruegel (Rutger Hauer) und Grossbürger Nicholas Jonghelinck (Michael York), ein Gönner und Bewunderer Bruegels, sind die Beobachter, die mehr oder weniger passiv den Geschehnissen zusehen. Sie reflektieren, dokumentieren (in Skizzen und Bildern), aber sie agieren nicht.

Mindestens so interessant wie die Belebung des Gemäldes ist die hochartifizielle filmische Umsetzung. Der polnische Regisseur Lech Majewski war von Michael Francis Gibsons Buch «The Mill and the Cross», einer akribische Analyse des Bruegel-Bildes, begeistert. Majewski, Maler, Filmemacher, Videokünstler und Opern-Regisseur, verwendete für sein jüngstes Kunstwerk neuste 3D-Effekte und schuf einen vielschichtigen Bildteppich, der auf computeranimierten Hintergründen basiert. Die Schauspieler agierten sowohl vor eine Blue Screen als auch vor realen Landschaften und einem 2D-Hintergrund, einer Mega-Kopie des Bruegel-Werks, nachgemalt von Majewski.

Der Begriff "Kunstwerk" hat hier durch und durch seine Berechtigung. Die bildnerische Komposition vermag zu fesseln und das Klima, die Stimmung einer vergangenen Epoche nachhaltig heraufzubeschwören. Bemerkenswert bleiben die Gefühle für die Opfer, die beim Zuschauer aufkommen, etwa jene für Maria und ihren hingerichteten Sohn: Sie werden durch die kühlen Zeitzeugen Bruegel und Jonghelinck abgeschwächt - versachlicht und intellektualisiert.

17.02.2024

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Tschugger - Der lätscht Fall

Sauvages - Tumult im Urwald