In ihrem Haus Frankreich 2012 – 105min.

Filmkritik

Witziges Lehrstück

Filmkritik: Eduard Ulrich

Ein Lehrer kümmert sich um einen begabten Schüler. Der frühreife Schüler nutzt das Interesse seines Lehrer aber, um seine Fähigkeit zu erproben, andere Menschen zu manipulieren. Das Spiel der beiden entwickelt bald eine Dynamik, die von ihnen nicht mehr kontrolliert werden kann. François Ozon greift mit seinem leichthändig inszenierten und leichtfüßig gespielten Laborstück die alte Vorstellung vom Eigenleben literarischer Figuren auf. Nebenbei fallen noch einige Lektionen zu Qualitätskriterien literarischer Werke ab.

Sei es ein Baby mit Flügeln oder jetzt ein Verwischen der Grenze zwischen Vorstellung und Wirklichkeit: François Ozon bleibt nicht gern bei der Realität. Wie bei ihm üblich fängt alles völlig normal an, und es ist längst zu spät, wenn man den ersten Verdacht schöpft, dass man es mit Kunstfiguren zu tun hat. Dann nämlich hat man zu ihnen bereits eine Beziehung hergestellt.

Das ist neben der klugen Regie auch ein Verdienst der Hauptdarsteller, die ihren beinah karikaturhaft dürren Rollenprofilen das nötige Quentchen Leben einhauchen. Wunderbar wie in der ersten längeren Szene der missmutige Gesichtsausdruck des abgebrühten Gymnasiallehrers Germain (Fabrice Luchini) zwar verschiedene Schattierungen annimmt, aber nie einen Zweifel an seiner Stimmung am Anfang des neuen Schuljahrs aufkommen lässt. Dieses Jahr scheint schlimmer zu werden als die anderen, weil die Schule für ein Pilotprojekt mit Schuluniformen ausgewählt wurde.

Das wird als gelebte Egalité verkauft, Germain sieht darin vor allem die ihm verhasste Gleichmacherei, das Einebnen von Individualität. Doch ein neuer Schüler wird ihn in seinen Bann ziehen und frischen Wind in sein Leben pusten, das Staub angesetzt hat. Besonders die Beziehung zu seiner Frau (Kristin Scott Thomas), einer Galeristin moderner Kunst, sollte renoviert werden. Während Germain seinen begabten Schüler beinah adoptiert und ihn in Privatlektionen mit dem Rüstzeug eines Schriftstellers ausstattet, spielt jener mit der Situation und seinem Lehrmeister.

Dieses Wechselspiel ist durchaus erhellend und erheiternd, denn die Prinzipien guter Literatur gelten auch für gute Filme, und aus der speziellen Konstellation gewinnt Ozon immer wieder unterhaltsame Pointen. Die arg textlastige, kunstvolle Konstruktion lockert er mit Szenenwechseln auf, um die in der Künstlerwerkstatt diskutierten Episoden dramatisch vorzuführen. So ist man gegen Ende bester Laune und kann den aufgesetzt wirkenden Schluss wegstecken, der einen gar einfachen Ausweg aus der Verstrickung von Kunst und Leben weist.

25.10.2012

3

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Kommentare

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Tatschi82

vor 11 Jahren

Sehr gute Idee, man fragt sich vom Anfang bis zum Schluss was Realität und was Fiktion ist. Super schauspielerische Leistung. Guter Film.


meinrad.zuend

vor 11 Jahren

Spannend bis zum Schluss.
Was ist Wirklichkeit und was Fantasie?


mercidir

vor 11 Jahren

unterhaltsam. erotisch. aufgesetzt. dramatisch. irreführend. unethisch. egoistisch. kein schlechter film. schwaches ende. zu sehr in der mitte verlaufend.


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