Drachenmädchen China, Deutschland 2012 – 90min.
Filmkritik
Hauptfach Kampfsport
Inigo Westmeier gibt mit seinem Dokumentarfilm einen tiefen Einblick in den Alltag an der grössten chinesischen Kampfsportschule Shaolin Tagou, an der rund 26'000 Schüler trainieren. Sie liegt in der zentralchinesischen Provinz Henan, gleich neben einer Ursprungsstätte des Kung Fus, dem legendären Shaolin-Tempel.
Porträtiert werden drei Mädchen mit unterschiedlichen Hintergründen: Xin Chenxi (9) und Chen Xi (15) kämpfen sich tausende von Kilometern von ihren Familien entfernt durch einen Alltag, der von Disziplin, Regeln und hartem Training geprägt ist. Die 17-jährige Huang hingegen lebt in der Metropole Shanghai, sie hat dem Drill an der Schule nicht standgehalten und ist zurück zu ihren Eltern geflüchtet. Ergänzt wird der Dokumentarfilm durch Interviews mit dem Schulleiter, den Eltern und Shi Yan Zhuang, einem der führenden Köpfe des benachbarten Shaolin-Tempels.
Neben intimen Einblicken in das Seelenleben der drei Schülerinnen, die hin- und hergerissen sind zwischen den hohen Anforderungen des Trainings und der Sehnsucht nach Geborgenheit und ihren Familien, beschreibt der Film auch die Faszination Kung Fu und deren unterschiedliche Bedeutung: Für die Mädchen ist Kung Fu erzwungenermassen Lebensinhalt und die Chance darauf, später auf dem harten chinesischen Arbeitsmarkt bestehen zu können. Die Abgänger der Schule finden oftmals gut bezahlte Stellen beim Militär oder der Polizei. Für den Schulleiter wird durch Kung Fu Disziplin gelehrt, durch die strengen Regeln an der Schule werden aus den noch ungeformten Kindern Menschen gemacht. Die Schule ist für ihn Ausdruck der "Industrialisierung des Kampsports". Für den Shaolin-Mönch hingegen ist Kung Fu untrennlich mit dem buddhistischen Glauben verbunden, er preist Kung Fu als Weg zur inneren Weisheit und Selbstbefreiung.
Obwohl Drachenmädchen schonungslos und kritisch den harten und leistungsorientierten Lebensalltag mitsamt Kälte, schlechtem Essen, Trainingsverletzungen, fehlender Privatsphäre und Schlägen zeigt, fokussiert der Film doch immer wieder das Kindliche. Von den Drachenlegenden, die Westmeier die Mädchen erzählen lässt, über eine Tanzszene im bunt eingerichteten Schlafsaal oder einem Gespräch über das Weinen erfasst einen doch immer wieder die Klarheit, dass hier Kinder im Mittelpunkt stehen, die trotz der äusseren Bedingungen, unter welchen sie aufwachsen, Träume haben, die ihnen keiner nehmen kann.
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