Winternomaden Frankreich, Deutschland, Schweiz 2012 – 90min.
Filmkritik
Schafe auf Wanderschaft
Seinen ersten Film widmet der Regisseur und Komponist Manuel von Stürler einer Jahrtausende alten Tradition und dreht ein dokumentarisches Roadmovie über die Wanderung einer Schafsherde durch die Schweiz. Karge Bilder kalter Winterlandschaften mischen sich mit wärmender Menschlichkeit und wecken Sehnsüchte.
Hiver Nomade ist ein rundum harmonischer Film: Thematisch widmet er sich einer Tradition, die im Einklang mit der Natur steht und dokumentiert die Wanderung von rund tausend Schafen durch die kalte Winterlandschaft der Schweiz. Begleitet werden sie von dem erfahrenen Schäfer Pascal und der jungen Carole, ihren vier Hunden und drei Eseln. Auf ihrer Reise werden sie in den folgenden vier Monaten 600 Kilometer karge Schweizer Winterlandschaft durchqueren. Ihre Mission: Die Schafe fett kriegen für den bevorstehenden Weihnachtsschmaus.
Visuell findet Hiver Nomade stimmig ausdrucksstarke Bilder, die ohne zu viel sagen zu wollen, leicht am Auge vorbeiziehen und so den Anmut dieser Wanderschaft fühlbar machen. Die Weite der weissen Winterlandschaft kontrastiert sich in ausladenden Panoramabildern mit der zuweilen aus dem Rahmen laufenden Schafsherde, der kalte Bergfluss wird zum morgendlichen Waschbecken, ein Käsefondue am Lagerfeuer unterm Sternehimmel wird mit philosophischen Reflexionen gewürzt. Hiver Nomade stimmt einen klangreichen Lobgesang auf das Leben unter freiem Himmel und die Schönheit des Winters an. Den Soundtrack liefert die Natur selbst: das Knirschen des Schnees, das Prasseln der Regentropfen auf der Zeltplane, das Läuten der Schafsglocken, das Bellen der Hunde. En passant werden existentielle Fragen aufgeworfen, wenn Carole plötzlich vor der Fleischtheke im Supermarkt steht, nur kurz nach der mühseligen Suche nach ein wenig grünem Gras fürs Tier.
Die beiden Schäfer sind das Herzstück des Films. Bei der Arbeit und ihren teils philosophischen Gespräche untereinander treten ihre eigenwilligen Persönlichkeiten inspirierend hervor. Die Kamera beschränkt sich auf die Beobachtung. Unterredungen finden bei den vereinzelten Treffen mit Menschen auf ihrer Wanderung statt, die sich nach und nach durch den Film reihen. Hier werden Themen wie das Aussterben des Wanderschäfer-Berufs, die Indoor-Mästung von Schafen oder Probleme der Globalisierung thematisiert.
Eine im Kino selten empfundene Friedlichkeit stellt sich im Verlauf des Films ein. Die klare Luft und Einfachheit des Lebens beflügelt trotz Kälte, Nässe und Schnee regelrecht den Geist. Mit Hiver Nomade ist Manuel von Stürler ein vielschichtiges und äussert stimulierendes Erstlingswerk gelungen.
Dein Film-Rating
Kommentare
90 Minuten Schäfer im Schnee und keine davon ist langweilig. Gutes Beispiel um zu sehen was möglich ist, wenn Kamera und Schere richtig eingesetzt werden: Extrem viel Humor im Schnitt.
wow, selten so ein stimmiger film gesehen! null action, dafür tiefsinnig und sehr gut inszeniert!
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung