Laurence Anyways Kanada, Frankreich 2012 – 154min.
Filmkritik
Die wahre Liebe im falschen Körper
Xavier Dolan erzählt die eigenwillige Geschichte zweier Liebenden, die weder mit, noch ohne einander können und dabei schliesslich an der Selbsterfüllung des anderen zerbrechen.
Laurence Alia (Melvil Poupaud) ist Literaturprofessor mit einem soliden Job und hat in Fréderique (Suzanne Clément) seine Seelenverwandte gefunden. Doch reisst er sein Leben aus den Fugen, als er Fréderique gesteht, dass er sich als Frau empfindet und von nun an auch als die Person kleiden und behandelt werden will, die er im Inneren schon immer war. An seinen Gefühlen für Fréderique ändere dies aber nichts. Die Folgen dieses Geständnisses bilden die Grundlage für Dolans schmerzliches Liebesdrama. Denn so sehr Fréderique sich auch gegen ihre Enttäuschung und soziale Schmach wehrt, kann sie ihren Geliebten bei seiner Metamorphose nicht unterstützen.
Mit einer epischen Spielzeit von knapp drei Stunden präsentiert sich Laurence Anyways als grosses Opus des 23-jährigen Regie-Wunderknaben Xavier Dolan, beinhaltet auf den zweiten Blick allerdings etliche repetitive, déjà-vu-hafte Momente und belanglose Sequenzen von rein dekorativem Selbstzweck. Sowie Laurence nach und nach zu seinem wahren Selbst findet, gewinnen auch Stilisierungen vermehrt die Oberhand. So verliert der Transsexuelle sich etwa zeitweilens zwischen buntem Make-up, schrillen Kostümen und felliniesken Gestalten, nachdem seine Figur zu Beginn noch so erfrischend fern schien; dabei gerät er in eine bizarre Welt, die innerhalb des sonst so überaus ehrlich gespielten Dramas eher befremdlich wirkt.
Doch obgleich die Handlung an Stellen unstimmig und selbstschwärmerisch ausstaffiert sein mag, versteht sich Dolans dritter Spielfilm erneut als visuelles Kunstwerk von emotionaler Tiefe. Gedreht in quadratischem Fernsehformat und mit etlichen langen Kamerafahrten durch schmale Gänge und feindselig dreinblickende Menschenmassen, vermittelt der Film eine beengende Atmosphäre, die den immensen Druck, der auf Laurence und Fréderiques Beziehung lastet, eindringlich spürbar werden lässt. Starke Dialoge und ein Exzess an Zeitlupen, zu denen ausdrucksvoller 90er Jahre Elektro-Rock erklingt, steigern die Poetik der perfekt komponierten Bilder ins Unermessliche.
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Kommentare
Bildgewaltig, tongewaltig, emotional durchrüttelnd. So kennen und lieben wir Xavier Dolan. Wieder ein grosser Wurf.
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