Marina Abramovic: The Artist Is Present USA 2012 – 104min.

Filmkritik

Sieben Stunden, sechs Tage, drei Monate

Filmkritik: Eduard Ulrich

Wenn ein 35-jähriger Texaner für seinen ersten Kinodokumentarfilm eine europäische Künstlerin wählt, die gern nackt auftritt, kann das bös enden. Tat es aber nicht, sonst gäbe es nicht dieses berührende Dokument der dreimonatigen Aufführung von Marina Abramovic im MoMA, das auch Einblicke in die Psyche der Künstlerin, ihren Freundeskreis und ihre Arbeitsweise gewährt. Angesichts der risikofreudigen Abramovic könnte man sich eine Präsentation wünschen, die ebenfalls etwas wagt.

Eine Kunstform in einem anderen Medium darzustellen, ist schwierig. Praktisch unmöglich ist das mit der Aktionskunst der als Großmutter dieser Gattung bezeichneten Marina Abramovic. Schon allein die physikalischen Parameter Dauer, Schalldruck und Dimensionalität können nicht adäquat abgebildet werden, das Moment der Interaktion fehlt gänzlich. Dabei ist Abramovic gerade diese Interaktion am wichtigsten: Das Publikum zu fesseln, und alle Anwesenden in ein und den selben Erlebnis- und Bewusstseinszustand zu versetzen.

Umso höher muss man den Mut Matthew Akers' werten, der vor allem mit Fernsehserien für seine Landsleute Erfolg hatte, sich diese unlösbare Aufgabe vorzunehmen. Gelegenheit bot sich, als das MoMA Abramovic zu einer dreimonatigen Lebenswerkschau einlud, an der neben acht wichtigen Werken aus verschiedenen Schaffensphasen auch ein neues aufgeführt werden sollte. Akers zeigt die Vorbereitungen mit einer der legendären, die Grenzen auslotenden Einschulungen ihrer Elèven, die sie an den retrospektiven Performances vertreten sollen, Gespräche mit Fachleuten, kurze Sequenzen mit Archivmaterial früherer Aufführungen und - leicht gekürzt - ihre eigene Aufführung mit dem schlichten Titel "Marina Abramovic: The Artist is Present", in der sie drei Monate lang, sechs Tage die Woche, sieben Stunden ununterbrochen BesucherInnen schweigend gegenübersaß.

Akers macht dabei das einzig Richtige: Er zeigt neben einigen berührenden Momenten während der Aufführung vor allem den langsam jedes vernünftige Maß überschreitenden Betrieb um die Künstlerin und ihre Aufführung herum. Und er unterschlägt auch nicht einige peinliche Szenen, in denen die ohnehin als paranoid verschrienen New-Yorker Sicherheitskräfte die perversen und prüden Regeln dieser eigentlich zutiefst kunstfeindlichen Gesellschaft in rigider und rücksichtsloser Manier durchsetzen, womit sie dem Kunstwerk einen wesentlichen Teil seiner Qualität und Wirkung rauben. Völlig anders agiert Akers, dem es gelang, auch heikle private Momente wie Begegnungen mit früheren Partnern und Bekenntnisse der Künstlerin einzufangen.

18.02.2024

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Kommentare

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Ortygiano

vor 12 Jahren

Diesen Sommer an einem Filmfestival in Siracusa (Sizilien) gesehen. Ein eindruecklicher Dok-Film ueber eine aussergewoehnlichen Kuenstlerin. Top!
Gibt's aber auch schon auf DVD.


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