Melaza Kuba, Frankreich, Panama 2012 – 80min.
Filmkritik
Liebe in Zeiten der röchelnden Revolution
Kuba wird in Filmen meist durch das morbide Havanna repräsentiert. Viel Leben steckt auch nicht mehr im Dorf um eine stillgelegte Zuckerfabrik, das sich Carlos Lechuga für seinen ersten Spielfilm erdacht hat. Ein guter Rest Liebesleben steckt allerdings in der ehelichen Beziehung zwischen Mónica und Aldo, die in einer Dreigenerationenkleinfamilie ein ärmliches Leben fristen. Die bedrückende Enge der Verhältnisse erfährt durch behördliche Willkür noch eine drastische Steigerung und zwingt die Eheleute, Risiken einzugehen, die ihre Beziehung gefährden.
Melasse ist ein brauner, zähflüssiger Stoff. Melaza heißt das fiktive Dorf auf der ehemaligen Zuckerinsel Kuba, in dem die Zuckerrohrverarbeitung längst Geschichte ist. Alternativen wurden nicht entwickelt, Symbol dafür ist die stillgelegte Zuckerfabrik, die scheinbar intakt zu warten scheint, wieder betrieben zu werden.
Die Hoffnung darauf bindet die Gedanken der Dorfbewohner, die sich mit mehr oder minder legalen Nebentätigkeiten über Wasser halten. Das Liebes- und Ehepaar Mónica und Aldo lebt mit seiner übergewichtigen Tochter und der querschnittsgelähmten Mutter Mónicas in einer Hütte aus Blech. Mónica ist die letzte Angestellte der Zuckerfabrik, sie hat eigentlich nichts mehr zu tun. Aldo unterrichtet Primarschüler, doch sogar die Schule scheint stillgelegt zu sein.
Regisseur und Drehbuchautor Carlos Lechuga hat auch dafür ein visuell reizvolles Sujet gefunden und knüpft daran ein amüsantes Beispiel für den Einfallsreichtum Aldos. Not macht bekanntlich erfinderisch, aber als eine Panne in der legalen Grauzone die Familie in massive finanzielle Schwierigkeiten stürzt, wird die Beziehung zwischen Mónica und Aldo durch beider Erfindergeist einer Zerreißprobe unterzogen, die sie nicht ahnen konnten.
Es ist kein schmeichelhaftes Bild, das Lechuga in seinem ersten Spielfilm vom Dorfleben in Kuba zeichnet: gesellschaftlicher Stillstand, berufliche Perspektivelosigkeit, absurde Gesetze, behördliche Willkür, individuelle Armut und Klassen- und Machtunterschiede. Lechuga hat mit vier Kurzfilmen Erfahrung gesammelt. Er versteht sein Handwerk, schafft eine träge, dichte Atmosphäre und lässt sich Zeit, uns die bleierne Last der Verhältnisse zu spüren. Sein Tempo liegt etwas höher als beispielsweise bei José Luis Valles Workers, sein Blick auf die Verhältnisse ist jedoch genauso präzise und sein Werk entwickelt langsam aber sicher einen Druck, der die Suche nach Chancen seiner Figuren in auswegarmer Situation vermittelt.
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