Post Tenebras Lux Frankreich, Deutschland, Mexiko, Niederlande 2012 – 115min.

Filmkritik

Erleuchtung unerwünscht

Filmkritik: Andrea Wildt

Carlos Reygadas hat in seinem Haus und mit seinen Kindern einen Film gedreht. Mit gewohnt radikaler Handschrift zeigt er darin das Ende der Unschuld in universeller Hinsicht. Ein auf vielen Ebenen überragendes Kinoerlebnis aus Mexiko.

Jeder Film des mexikanischen Regisseurs Carlos Reygadas stellt eine einmalige Kinoerfahrung dar. Die Protagonisten werden jeweils von moralischen Konflikten getrieben, die durchaus recht banalen Charakter haben können, wie das Verliebtsein in eine andere Frau in Stilles Licht. Das Verstörende an Reygadas Filmen sind zumeist die Art seiner Erzählung und dessen ästhetische Darbietung.

Auch sein aktueller Film Post Tenebras Lux (lateinisch für "Licht nach der Dunkelheit"), der 2012 in Cannes mit dem Preis für die beste Regie geehrt wurde, verstört die Gemüter. Er baut seine Geschichte einer jungen bürgerlichen Familie auf dem Land in Mexiko aus diversen, zum Teil sehr heterogenen Versatzstücken zusammen: Der Geschichte fehlt der offenkundige rote Faden. Stattdessen setzt Reygadas auf sinnliche Bilder und assoziative Montagen seiner Szenen. Das erschwert freilich das Begreifen der Geschichte und seiner Protagonisten, entfesselt dafür ein intuitives Erleben der behandelten Thematiken.

Post Tenebras Lux ist voller Gewalten. Sei's gleich zu Beginn das zarte Kind, welches umgeben von Hunden und Kühen in der Weite der Landschaft und dem aufziehenden Gewitter verloren und verletzlich den Kräften der Natur ausgesetzt wirkt. Sei's der wiederkehrende, ohrenbetäubend prasselnde Regen; der ohne erkennbaren Sinn Bäume fällende Mensch; oder der surrealistische, rot glühende Teufel mit Werkzeugkasten, welcher sich vor den Augen des Sohnes in das Schafzimmer der Eltern schleicht. Auf zwischenmenschlicher Ebene dominiert das Patriarchat: Der Ehemann schlägt die Hunde und ordert Sex, wann es ihm danach verlangt. Knaben spielen in kurzen Shorts Rugby.

Diese stückweise sehr rätselhaften Episoden fasst der Kameramann Alexis Zabe in ein nahezu quadratisches Bildformat. Alle Aussenaufnahmen sind zudem so gefilmt, dass die Bildränder verwischt und die Objekte im Bild teils leicht verschoben dargestellt sind, als bestünden sie aus mehreren Schichten. Diese visuelle Raffinesse kann gefallen oder nicht, dient auf jedem Fall der mystischen, fast transzendenten Stimmung des Films. Das so quasi runde Bild verlegt die Dimension der Landschaft in die Bildtiefe. Ein wenig erinnert es an den Blick des Kind durchs Kaleidoskop, als die Unschuld noch unschuldig war.

15.02.2013

4

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Kommentare

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8martin

vor 9 Jahren

Der Titel ist nur für diejenigen verständlich, die des Lateinischen mächtig sind, der Film selber verweigert bewusst fast jeglichen Zugang. Was auch immer das Licht nach der Dunkelheit erhellt, neben den Afrikanern bei Nacht im Tunnel, ist man versucht, in der losen Szenenfolge einen Zusammenhang zu erkennen. Das gelingt beim Wiedererkennen mancher Figuren. Dazwischen schrecken Schocker den etwas verunsicherten Zuschauer auf. Manche Bilder sind unscharf, die Kamera ist fest montiert. Anfangs gibt es sogar einen echten Hingucker: die Silhouette einer knallroten Animationsfigur zeigt den bocksbeinigen Gehörnten in einem Haus. Doch dann wird es verworren. So reichen die Urteile und Reaktionen von lauten Buhrufen in Cannes bis zu verzücktem Jubel mancher Rezensenten.
Zugegeben ist es kein Schwachsinn was Reygadas da so zeigt, aber mein Ansatz Filme zu schauen ist ein anderer. Wenn man das Unterhaltungsmoment betont, vielleicht sogar Denkanstöße erwartet, in Spannung versetzt wird oder zu Tränen gerührt wird, ist man hier fehl am Platze. Dabei ist es wahrlich mehr als das Fenster einer drehenden Waschmaschine. Trotzdem halte ich es für Zeitverschwendung.Mehr anzeigen


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