Shadow Dancer Irland, Grossbritannien 2012 – 101min.

Filmkritik

Mutter, Tochter, Schwester, Spion

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

90er Jahre in Belfast: Eine IRA-Terroristin muss sich entscheiden - zwischen der Loyalität zu ihren Brüdern und der Liebe zu ihrem Sohn. Thriller von Dokumentarfilmer James Marsh (Man on Wire) und dem Journalisten Tom Bradby.

Die frühen 90er Jahre: Collette soll für die IRA eine Bombe in der Londoner U-Bahn platzieren. Als sie vom MI5 verhaftet wird, bietet ihr einer der Agenten jedoch einen Deal an: Anstatt ins Gefängnis zu kommen und miterleben zu müssen, wie ihr Sohn in eine Pflegefamilie gegeben wird, soll sie für den MI5 spionieren. Nach einer gewissen Zeit ist sie frei und könnte auch eine neue Identität erhalten. Doch dann findet der MI5-Agent heraus, dass es bereits einen Maulwurf in der IRA-Zelle gibt – und Collettes Leben auf dem Spiel steht.

Shadow Dancer ist ein sehr langsamer Film. Er lässt sich Zeit, ist weniger von der Geschichte, als vielmehr von seinen Figuren angetrieben. Die Dialoge beschränken sich auf ein Minimum, die Bilder sagen mehr aus als Worte es jemals könnten. In den Gesichtern, vor allem in jenem von Andrea Riseborough, die schon in Oblivion überzeugte, spielt sich alles ab, was man wissen muss.

Shadow Dancer, als Thriller angelegt, gebärdet sich eher wie ein Drama, das von seiner authentischen Milieuzeichnung profitiert. Mit seiner tristen, farblosen Stimmung zeichnet der Film das Bild eines erstarrten Landes, in dem die Menschen vielleicht nicht kapituliert haben, aber in ihren eigenen Zielvorgaben erstarrt sind. Der Hass übernimmt alles, das Ziel gerät aus den Augen.

Der Film setzt aber voraus, dass man mit dem Nordirlandkonflikt vertraut ist. Die Zeichnung der IRA-Mitglieder ist skizzenhaft und fordert vom Zuschauer, selbst mitzuarbeiten. Das schwächt Shadow Dancer etwas, ebenso wie der ungelenk erscheinende Subplot um Grabenkämpfe beim MI5. Gerade das lenkt von der eigentlichen Geschichte ab, auch wenn es nett ist, Gillian Anderson mal wieder zu sehen. Sie hat als MI5-Führungsoffizier aber nur wenig, mit dem sich arbeiten lässt. Ihre Figur bleibt eindimensional, woran auch Anderson nichts ändern kann.

Shadow Dancer zeigt den Terror nicht, vielleicht ein Fehler, weil er damit nie spürbar wird. Als Drama ist er gut, aber nie exzellent, als Thriller funktioniert er nur bedingt. Letzten Endes wäre eine andere Gewichtung des Drehbuchs vonnöten gewesen, um aus Shadow Dancer den Spionage-Thriller werden zu lassen, den Marsh und Bradby offenbar im Sinne hatten.

07.08.2013

3

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Kommentare

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8martin

vor 10 Jahren

Natürlich ist dies wieder einer von vielen Filmen über die IRA und ihren Kampf gegen die Briten. Zwei Dinge unterscheiden ihn von den übrigen: er hat einen extrem individuellen Ansatz. Hier ist die Familie – sonst ein sicherer Hafen – alles andere als das. Es gibt keine Außenstehenden. Die Mutter (Brid Brennan) und die Brüder hängen mit drin, ob sie wollen oder nicht - und müssen dafür bezahlen.
Der zweite Aspekt ist, dass hier zwei Abteilungen des britischen Geheimdienstes sich gegenseitig das Wasser abgraben, da jeder meint einen Maulwurf finden zu müssen. Es gibt also ‘Krieg‘ im eigenen Lager: Mac (Clive Owen) muss sich mit Kate (Gillian Anderson) auseinandersetzen. Dass der MI5 einen Bombenleger - hier Colette (Andrea Riseborough) zum Doppelagenten umkrempelt, ist auch nichts Neues. Die Auseinandersetzung ist spannend weil gnadenlos: Folter, Bomben etc. das ganze Repertoire, inklusive Frauen und Kinder. Aussteigen ist unmöglich. Der Zuschauer wird quasi in den inneren Zirkel der Untergrundorganisation mit hineingenommen. Begräbnisse z. B. vor den Augen der Polizei geraten zur politischen Demonstration.
Am Ende steht die Erkenntnis, dass es immer so weiter gehen muss mit dem Morden. Der eine zieht den anderen nach sich. Und während man im Nebel rumstochert, trifft es mitunter auch die Falschen. Niemand ist sicher. Niemals. Nirgendwo. Egal ob man Kindergeburtstag feiert, in der Kneipe sitzt oder Liebe macht. Frieden ist ein Fremdwort. Das verdeutlicht vor allem Colette. Sie ist Mutter, ohne Privatsphäre mit unstillbarer Gier nach Leben.. Selbst die dargebotene Hand ihres persönlichen Betreuers Mac wird pulverisiert. Da wird jeder zum Schattentänzer. Desillusionierend herb, aber superspannend.Mehr anzeigen


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