Das Glück der grossen Dinge USA 2012 – 99min.

Filmkritik

Familienwahnsinn

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Auch wenn es den Anschein hat, als sei das Thema Scheidung im Kino bereits in all seinen Varianten verhandelt worden, hält die von Scott McGehee und David Siegel vorgelegte Neuverfilmung des Romanklassikers von Henry James einige nachdenklich stimmende Wahrheiten bereit. Trotz kleinerer Schwächen findet das Melodrama die Balance zwischen ernsthafter Betroffenheit und hoffnungsvoller Zuversicht.

Das Leben der sechsjährigen Maisie (Onata Aprile) wird gehörig durcheinander gewirbelt, als ihre Mutter Susanna (Julianne Moore) und ihr Vater Beale (Steve Coogan) beschließen, sich scheiden zu lassen. Keiner der beiden ist bereit, dem anderen das Kind zu überlassen. Und so entbrennt ein unnachgiebiger Streit, der mit dem gemeinsamen Sorgerecht endet. Die Zuneigung, die Maisie gerade in dieser Lebensphase benötigt, findet das Mädchen allerdings nicht bei ihren selbstsüchtigen Eltern.

Henry James' Romanvorlage stammt aus dem Jahr 1897 und sorgte angesichts der damals gerade erst entwickelten Idee des geteilten Sorgerechts für kontroverse Diskussionen. Nachdem das Buch schon in den 60er und 70er Jahren als filmische Vorlage Verwendung fand, versucht sich das Regie-Duo McGehee/Siegel gemeinsam mit den Autoren Nancy Doyne und Carroll Cartwright an einer Aktualisierung des Stoffes. Ein Unterfangen, dem man seine Berechtigung nicht absprechen kann, schließlich sind Scheidungen und Sorgerechtsstreitigkeiten mehr denn je Bestandteil des heutigen Familienlebens.

Wie im Roman ist es Maisies Sicht, die den Film dominiert. Ihr kindlich-naiver Blick lässt die Ungerechtigkeiten eines Trennungsstreits unmissverständlich hervortreten und zeigt vor allem eins: Leidtragende einer Scheidung sind in erster Linie die Kinder, die nicht selten zum Spielball der elterlichen Interessen verkommen. Auch wenn Susanna und Beale mehrfach beteuern, wie sehr sie ihre Tochter lieben, sprechen ihre egoistischen Handlungen eine andere Sprache. Eindrücklich sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Szenen, in denen die Eltern ihre Ichbezogenheit zu rechtfertigen versuchen, am Ende jedoch nur in hilfloses Gestammel verfallen.

Obwohl Maisies zumeist passive Beobachterrolle den direkten Zugang zu ihrem Innenleben erschwert, wird der Zuschauer durch die unbefangene Darstellung der kleinen Onata Aprile immer wieder in das filmische Geschehen hineingezogen. Auch der Rest des Ensembles weiß in seinem Spiel zu überzeugen. Störend erscheinen lediglich die schwach motivierten dramaturgischen Volten im letzten Drittel und die etwas zu einseitig entworfenen Elternfiguren. Dennoch: Ein Blick in das Leben des Scheidungskindes Maisie ist allemal lohnenswert.

17.02.2024

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Barbarum

vor 9 Jahren

Wenn man bei so einem Thema von Unterhaltung sprechen kann, dann ja, dieser Film schafft es tatsächlich, ähnlich wie Kramer vs. Kramer, als ein Scheidungsdrama zu unterhalten.


gotcha

vor 11 Jahren

Armes Mädchen, schlimm das Verhalten der Eltern!
Nichts für einen gemütlichen Mädelsabend... keine so "leichte Kost"!


seeyouto

vor 11 Jahren

Krasse Geschichte, die da erzählt wird. Eine psychisch kranke Mutter, die Menschen (und sich selber) hasst, aber meint, ihr Kind zu "besitzen"! Ihr Verhalten ist sehr verwirrend, da beide Elternteile nach ihren Besitzansprüchen quasi (aus beruflichen Gründen) fliehen oder wie auch immer, und das arme Mädchen einem (wahrscheinlich gutbezahlten) Kindermädchen überlassen und einem angeheirateten Typen, der mal mit Kindern nichts am Hut hat. Trotzdem hat mir der junge Typ noch gut gefallen, weil er sich so gut in das süsse Mädchen (gut gespielt) einfühlen konnte und bald viel Spass mit ihr zusammen hatte. Das Drama bekäme gar keine Punkte, aber man bewertet ja auch die schauspielerische Leistung und andere Komponente. Obwohl der Film recht düster begann und dann verschiedene Facetten zeigte, hat er mich gesamthaft beeindruckt. Die Kleine ist wirklich immer süss angezogen (nicht ab der Stange) Da wird der Reichtum der Eltern präsentiert. Das Kindermädchen hat ihren Stil. Gefällt mir nicht, aber passt halt zu ihr! Cool der angeheiratete Typ ist privat lässig gekleidet und adrett in der Bar........ Und die Mutter als Rockgöre!... naja. Auf einmal ist die Geschichte fertig, obwohl sie noch weitergehen könnte....... aber es sagt schon das Richtige aus.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Tschugger - Der lätscht Fall

Landesverräter

Thelma