Blue Ruin Frankreich, USA 2013 – 92min.

Filmkritik

Der Lärm der Stille

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Ein Mann will Rache am Mörder seiner Eltern nehmen. Das hat man so oder ähnlich schon oft gesehen - in der Regel als Actionfilm, hart und bar jeder Authentizität. Doch Blue Ruin ist anders: Da wird eine Geschichte so echt erzählt, als wäre sie im wahren Leben passiert.

Seit dem Mord an seinen Eltern ist Dwights Leben aus den Fugen geraten. Er lebt nicht - er vegetiert. Als er erfährt, dass der Mörder seiner Eltern freigelassen wird, setzt er sich jedoch in Bewegung. Er bringt den Wagen in Schuss, er versucht, sich eine Waffe zu besorgen, er fährt los. Dwight hat nur ein Ziel: Rache. Das gelingt ihm auch, aber damit tritt er eine Spirale der Gewalt los, deren Saat schon weit, weit früher gelegt worden ist, noch bevor Dwights Eltern in dieser Blutfehde sterben mussten.

Die Hauptfigur ist kein Rambo, kein Paul Kersey, sondern ein ganz normaler Mensch. Er will Rache, aber mit Waffen kann er nicht umgehen. Macon Blair spielt ihn als einen zerstörten Menschen, als ein Wrack, das kaum noch zur Interaktion fähig ist, aber auch als ein (einen) Mann, der gewillt ist, für die Erhaltung seiner Familie alles zu tun. In Blairs Augen spielt sich mehr ab als in den Gesichtern einer ganzen Legion von Schauspielern. Er lässt den Zuschauer am Schmerz der Figur, ihrer Ausweglosigkeit, aber auch ihrer Entschlossenheit teilhaben.

Autor und Regisseur Jeremy Saulnier hat mit Blue Ruin einen bemerkenswerten Film abgeliefert. Nicht nur, weil er dank natürlicher Ausleuchtung ein optisch sehr authentisches Gefühl erzeugt und versucht, die Geschichte so realistisch wie möglich zu erzählen. Sondern auch deshalb, weil er von einer Stille geprägt ist, die geradezu ohrenbetäubend ist. Dieser Film verzichtet über weite Strecken auf Dialoge, er erzählt sich über die Bilder und die Taten der handelnden Figuren. Damit zwingt er den Zuschauer aber auch, auf die Details zu achten, wodurch er noch stärker in den Film hineingezogen wird. Eine Schwere breitet sich aus, die geradezu erdrückend ist.

Saulniers Lektion in Sachen Aktion und Reaktion folgt den klassischen Mustern einer Blutfehde, die immer nur eskalieren kann, bis zu dem Punkt, an dem ein Zurück unmöglich ist. Darauf steuern auch die Handlungsträger dieses Films zu, die nicht die Kraft aufbringen zu stoppen – oder schlichtweg nicht die Möglichkeit dazu haben. Am Ende blitzt die Hoffnung auf, dass die Spirale der Gewalt enden könnte. Ein stiller Film, der immensen Lärm macht.

29.04.2024

4

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Kommentare

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Rockabilly_ZH

vor 10 Jahren

ganz passabel, hält aber leider nicht was die Vorschau verspricht. Der Soundtrack erachte ich eher störend als das er den Film abrundet


willhart

vor 10 Jahren

Atmosphärisch dicht
- amerikanisch - kaum auszuhalten


hyper80

vor 10 Jahren

Leider kann ich mich meinen Vorgänger nicht anschliessen. Dies war der schlechteste Film den ich seit langem gesehen habe. Der Macher lässt es von Anfang bis zum Ende nicht zu, die Charaktere des Films kennen zu lernen. Der Hauptdarsteller wirkt gesichtslos, gar unsympathisch. Die ersten vielleicht 20 Minuten haben mich überzeugt. Danach geht es steil bergab. Hinzu kommen die 'coolen' Sprüche der Akteure, welche für mich aber unpassend waren. Ein Vergleich mit den Coen Brüdern find ich falsch. Ja, der Regisseur bedient das gleiche Genre (oder versucht es zumindest). Aber Celine Dion kann auch einen Song von Prodigy singen und trotzdem hört es sich nicht automatisch gut an. Wirklich schade, der Anfang war noch überzeugend und da hätte man so viel mehr daraus machen können.Mehr anzeigen


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