CH.FILM

Cherry Pie Schweiz 2013 – 85min.

Filmkritik

Traumwandlerisch verloren

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine nebulöse Reise durch Frankreich. Sie nennt sich Zoe und ist unterwegs. Auf der Flucht, auf der Suche? Der Zürcher Kameramann und Regisseur Lorenz Merz hat sich dieser jungen Frau an die Fersen geheftet, verkörpert durch Lolita Chammah, Tochter Isabelle Hupperts. Ein traumwandlerisches Roadmovie wie eine Welle, die ausläuft.

Aus dem Irgendwo ins Nirgendwo? Wie Treibgut lässt sich Zoe, eine junge Frau scheint's ohne Bindung, durchs nebulöse Land nach Norden spülen. Frankreich genauer gesagt, aber es ist ein fast gesichtsloses Frankreich – düster, namenlos, öde. Traumlos traumwandlerisch – die blonde "Fahrende" hat zwar ein Gesicht, aber keine Vergangenheit, insofern bleibt sie gesichtslos wie die Landschaften, Strassen, Quartiere, Tankstellen, die sie durchquert, wo sie kurz ankert und wieder abstösst. Irgendwann erreicht sie den Ärmelkanal, begegnet auf einer Fähre einer geheimnisvollen Frau in einem Wintermantel. Am Ende verlässt Zoe das Schiff in einem Wintermantel.

Spuren, die sich verlaufen. Eine Reise ohne Wiederkehr? Eine aparte Frau, eine Kamera und Bewegung. Lolita Chammah als Zoe trägt den Film, der wie ein Fluss strömt und verebbt – fast lautlos, aber nicht ziellos. Ihr Gesicht, ihre Erscheinung bleiben haften in einem Spielfilm wie ein Stillleben ohne Geschichte, aber in Bewegung. In manchen Einstellungen erinnert man sich an Isabelle Huppert, Lolitas Mutter.

Man erfährt wenig von Zoe, der getriebenen, die wohl einen Freund verlassen hat, um sich selbst zu finden, sich wiederzufinden. Die traumwandlerische Reise bringt sie vielleicht an ein Ziel. Wir ahnen, aber wir wissen es nicht. Der Weg als Ziel? Man kann sich mit dem Film treiben lassen, immer die blonde Zoe/Lolita im Blick als Orientierung, die dann doch wie ein Spuk verschwindet.

Ursprünglich sollte Cherry Pie eine Kamera-Fingerübung, ein Kurzfilm werden, meinte Lorenz Merz, der den Film nur skizzierte, also ohne Drehbuch drehte. Es wurde ein essayistischer Bilderexkurs oder besser eine Exkursion, bereits 2014 entstanden, auf die man sich meditativ einlassen kann oder die einen kalt lässt. Merz, Partner der Hautdarstellerin, hat vor allem als Kameramann reüssiert, etwa beim Spielfilm Chrieg oder beim Dokumentarfilm Millions Can Walk von Christoph Schaub.

16.06.2015

3

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Kommentare

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norma.giannetta

vor 9 Jahren

sehenswert!


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