Child's Pose Rumänien 2013 – 112min.

Filmkritik

Kraftvoll, stark, umwerfend

David Siems
Filmkritik: David Siems

Osteuropäisches Kino von seiner besten Seite: Der rumänische Berlinale -Gewinner seziert das schwierige Verhältnis zwischen einer machthungrigen, wohlhabenden Frau und ihrem hypochondrischen Sohn. Als dieser einen tödlichen Unfall verursacht, wird das ohnehin schon schwierige Verhältnis auf eine noch härtere Probe gestellt. Das intime Drama ist gleichzeitig auch eine bedrückende Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Gesellschaft Rumäniens. Kraftvoll, stark, umwerfend.

Die beiden Frauen steigen aus dem schwarzen SUV, tragen Nerzmäntel und ziehen nervös an langen, dünnen Zigaretten, als sie in die provinzielle Polizeiwache stolzieren. Auf dem Weg hinein müssen sie vor einem aufgebrachten Dorfbewohner fliehen, der mit einem Baseballschläger auf sie losgehen will. Cornelia (Luminita Gheorghiu) hat gerade erst erfahren, dass ihr Sohn Barbu (Bogdan Dumitrache) einen kleinen Jungen überfahren hat. Nun gilt es, den Schaden zu begrenzen und den Filius vor dem Knast zu bewahren. Koste es, was es wolle. Und das auch im wörtlichen Sinne.

Geld, Statussymbole, Korruption: Diese Geschwüre moderner Gesellschaften drapiert Regisseur Calin Peter Netzer an seiner Rahmenhandlung, die er wie ein stiller Beobachter konstruiert. Als Cornelia ein üppiges Bündel Geldscheine aus einem Briefumschlag packt, wackelt die Handkamera nervös aus der Ferne. Ganz so, als würde man der Protagonistin still und heimlich bei ihrer nächsten Operation beiwohnen. Und mit eben solch klinischer Präzision geht die Frau auch vor, um ihren Sohn zu retten: Die Bestattungskosten für das überfahrene Kind werden ohne Augenzwinkern einkalkuliert. Und der zuständige Polizist bräuchte da noch einen Kontakt in der Baubehörde für den privaten Hausbau eines Freundes. Cornelia als gelernte Architektin würde da »jemanden kennen«. Eine Hand wäscht die andere, das müsste sich doch strafmildernd auswirken. Oder nicht?

Aber der Film erzählt noch eine andere Geschichte: die einer Frau, die es gewohnt ist, Kontrolle im Leben zu haben. Und ihrem Sohn, der ob der Last mütterlicher Fürsorge zu zerbersten droht. "Helikopter-Mütter" wird so etwas in Pädagogen-Kreisen genannt. "Such dir ein Hobby, einen Geliebten, einen Hund", legt Barbu seiner Mutter ans Herz. Das wirkt mitunter tragikomisch, doch beschreibt es in Wahrheit den schleichenden Untergang einer Wohlstandsfrau aus der postkommunistischen Oberklasse. Luminita Gheorghiu, in jeder Einstellung zu sehen, füllt diesen Film mit größtmöglicher Präsenz aus und erinnert in ihrer Ausstrahlung an die starken Frauen aus Pedro Almodóvars Filmen, etwa Carmen Maura oder Cecilia Roth aus Todo sobre mi madre. Wie so oft bei Berlinale-Gewinnern, ist auch dieser Film ein wahrhaft kathartisches Erlebnis, das einen so schnell nicht wieder loslässt.



15.07.2024

4

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Kommentare

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88fabian88

vor 11 Jahren

naja.. gibt viele ähnliche Geschichten


reinhard49

vor 11 Jahren

Ich mag den Film.


gefuehlsmensch

vor 11 Jahren

gut gedreht.


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