Das merkwürdige Kätzchen Deutschland 2013 – 73min.
Filmkritik
Die Flasche ist die Schwester der Wurst
Vorbereitungen auf einen Familienabend in einer Berliner Wohnung: Das klingt banal, ist es aber gar nicht. Was hat die Wurst mit der Flasche zu schaffen, und weshalb liegt bei der Orangenschale immer die weisse Seite oben, wenn man sie zu Boden wirft? Fragen über Fragen, denen sich Ramon Zürcher in seinem Langspielfilm-Erstling auf buchstäblich merkwürdige Art und Weise annähert.
Die Geschwister Karin und Simon besuchen ihre Eltern und ihre kleine Schwester Clara. Geplant ist ein gemütlicher Abend im Rahmen der Familie. Dafür müssen allerdings noch alltägliche Dinge erledigt werden. So holt Simon die Grossmutter ab, der Vater geht mit Clara einkaufen, und die Mutter schneidet in der Küche Zwiebeln, während der Onkel im Badezimmer die Waschmaschine repariert. Was nach ganz banalem Familienalltag klingt, ist in Wirklichkeit ziemlich merkwürdig.
Clara schreibt fleissig alles auf - und konsequent alles falsch. Und sie schreit fröhlich und ohne Grund, während sich die Anderen weiter unterhalten. Eine Flasche dreht sich endlos im Kreis, und mit dem Hund spielt niemand. Anstatt mit ihm Gassi zu gehen, sitzt die Mutter in einem Restaurant vor ihrem Kaffee und schaut nach draussen, während der Hund traurig vor der Tür sitzt und die Familie zu Hause das Essen vorbereitet. Eine Merkwürdigkeit reiht sich an die andere in Ramon Zürchers Langspielfilm-Debüt. Der in Berlin lebende Schweizer feierte mit seinem hochgelobten Film, der von seinem Bruder Silvan Zürcher produziert wurde, an der Berlinale 2013 Weltpremiere.
Wie in einem Schwank gehen Türen in dieser Wohnung auf und zu. Auch die Sprache erinnert eher an die Bühne als an den Film. Zürcher bedient sich in seinen Dialogen keiner weichen, verspielten Sprache, bei ihm ist sie hart und messerscharf. Diese Prägnanz wirkt befremdlich und kühl, wodurch die Figuren auf Distanz bleiben und nie richtig greifbar werden. Auch die absurden Wortspiele bringen sie dem Zuschauer nicht näher, sondern rücken sie noch weiter fort. Weil nicht nur die Flasche Mineralwasser spritzt, sondern auch die Wurst auf dem Teller, werden Flasche und Wurst plötzlich zu Schwestern. Ein gewissenhaft konstruierter Dialog folgt choreographisch dem nächsten. Strinrunzelnd fragt man sich: Wer spricht so?
Die Kameraführung verstärkt diesen Verfremdungseffekt noch. Die Kamera bricht mit filmischen Konventionen und gibt dem Zuschauer nicht die gewohnte Übersicht über das Geschehen. Die statische Kamera auf Brusthöhe rückt vor allem Ausschnitte und nebensächliche Details in den Mittelpunkt. Der Blick des Zuschauers haftet zum Beispiel an einem Falter am Küchenschrank, während das Geschehen ausserhalb des Blickwinkels weitergeht. Ist das eine Verfremdung um der Verfremdung Willen? Und ist das alles vielleicht zu gewollt und zu gekünstelt? Es scheint, als müsste man für diesen Film neu schauen und denken lernen, um ihn richtig zu verstehen. Am wenigsten merkwürdig verhält sich noch das Kätzchen.
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