Der Kapitän und sein Pirat Belgien, Deutschland 2012 – 79min.

Filmkritik

Kapitän auf dem Tränenmeer

Filmkritik: Eduard Ulrich

Seit 2005 wurden mehr als 218 Schiffe von somalischen Piraten gekapert, eines davon war die Hansa Stavanger, ein anderes - wenige Tage später - die Maersk Alabama. So unterschiedlich wie diese beiden Entführungen verliefen, so unterschiedlich sind auch die beiden Filme, die Andy Wolff einerseits und Paul Greengrass (mit Captain Phillips) andererseits daraus machten. Wolff verzichtet auf dramatische Bilder, konzentriert sich auf den Kapitän und den Anführer der Piraten. Beide lässt er in langen Gesprächen berichten. Das ist durchaus spannend und psychologisch erhellend, vieles bleibt aber trotzdem begründungslos unerklärt.

Der Pirat ist sagenumwoben und genießt in unserer risikoarmen Dienstleistungszivilisation den ausgezeichneten Ruf von Freiheit und Abenteuer. Dass das Handwerk des Piraten mehr oder minder große Kollateralschäden anrichtet, blenden die meisten von uns geflissentlich aus. Anerkennen darf man aber, dass auch der Pirat mit der Zeit gegangen ist: Wurden früher üblicherweise die Mannschaften überfallener Schiffe massakriert und die Ladung an Land verhökert, begnügt sich der somalische Profi mit einer Ladung Lösegeld - gern vom Helikopter abgeworfen, um unangenehme Fragen zu vermeiden.

Regisseur Andy Wolff - respektive seinem Mittelsmann vor Ort, dem Somalideutschen Yusuf Guul - ist es tatsächlich gelungen, den Anführer der kleinen Truppe aufzuspüren, die 2009 das Container-Schiff Hansa Stavanger in ihre Gewalt brachte und 121 Tage festhielt, was damals Rekord war. Der permanent Kat kauende, bürger- und bandenkriegserprobte Rädelsführer der Piraten, eignet sich allerdings nicht als Identifikationsfigur, obwohl er menschliche Züge im Zuge seiner Befragung offenbart. Das verklärte Bild des Piraten erfährt so eine drastische Korrektur.

Wolff durfte die psychische Rehabilitation des Kapitäns in Deutschland begleiten und einige ausführliche Gespräche mit ihm führen. Das Schiff selbst ist inzwischen verschrottet, das Geschehen wird sowohl aus Sicht des Geiselnehmers als auch aus Sicht der Geisel mit Worten rekonstruiert. Das ist inhaltlich spannend genug, aber visuell nicht besonders ergiebig, auch wenn die emotionalen Reaktionen des Kapitäns in einem schönen Gegensatz zum nüchternen Gleichmut des Entführers stehen. Wolff stellt die Erzählungen der beiden Antagonisten thematisch gegenüber, womit zwei Seiten der Geschichte beleuchtet werden. Vieles bleibt aber dennoch im Dunkeln: Ohne die Sichten der Reederei und der Mannschaft kann man sich schlicht kein eigenes Urteil bilden.

22.04.2024

3

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