La danza de la realidad Chile 2013 – 130min.

Filmkritik

Blick zurück, nicht im Zorn

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

23 Jahre sind ins Land gezogen, in denen Alejandro Jodorowsky keinen Film gemacht hat. Erst durch die Retrospektive auf sein Werk, die durch die Interviews zur Dokumentation Jodorowsky's Dune stattfand, entflammte die alte Leidenschaft wieder, befeuert durch den Umstand, dass er sich mit seinem Dune-Produzenten Michel Seydoux aussöhnte und beide sich anschickten ein (letztes?) großes Werk zusammen zu schaffen.

Alejandro leidet seit seiner frühesten Kindheit unter seinem Vater, der aus ihm einen richtigen Mann machen will. Dass der Sohn ein Freigeist ist, ein Künstler, ein Mensch, der das Leben anders wahrnimmt als andere, will der Vater gar nicht wahrhaben. Es ist ihm fremd, wie ihm auch der Sohn fremd ist, und als er das Gefühl hat, als Vater versagt zu haben, macht er sich auf, in einem Akt puren Machismos einen verhassten General zu töten. Ein Unterfangen, das kläglich scheitert, aber einen Reifeprozess in Gang setzt, der im wahren Leben niemals stattfand.

Denn La Danza de la Realidad ist nichts weniger als Alejandro Jodorowskys Abrechnung mit seinem Vater, mit seiner eigenen schmerzhaften Kindheit, mit den Leiden, die ihn ein Leben lang geprägt haben. Aber Jodorowskys vielleicht reifster Film ist mehr als nur eine Autobiographie. Er ist die idealisierte Version eines Lebens, gibt es hier doch die Aussöhnung zwischen Vater und Sohn, die das wahre Leben nie bereithielt.

Wer Jodorowsky kennt, der weiß, dass seine Filme von surrealen Bildern geprägt sind, dass sie Träumen gleichkommen, die nicht immer leicht zu erschließen sind, dass sie vor allem auch von starken Metaphern leben, die direkt auf Herz und Hirn des Zuschauers abzielen. Nicht anders verhält es sich auch hier, wobei La Danza de la Realidad der vielleicht zugänglichste Film im Schaffen des Altmeisters ist. Was nicht heißt, dass er leicht zu verdauen wäre. Der Geschichte zum Trotz hält sich Jodorowsky nicht mit erzähltechnischen Konventionen auf. Er erzählt seine persönliche Geschichte, hält sich aber nicht mit Realismus auf, sondern vermengt Realität mit Surrealismus, Metaphorik mit Spiritualität und Psychoanalyse mit seiner ganz eigenen Form der therapeutischen Technik, der Psychomagie.

Jodorowskys Film ist ein wunderschönes, kleines Juwel. Kraftvoll in der Bildsprache, umwerfend in der Narrativen, getragen von einem Symbolismus, in dem man sich verlieren kann. Man wird mitgerissen von dieser Vater-Sohn-Geschichte, in der der Maestro seinen Sprössling als seinen eigenen Vater besetzt hat und damit sowohl die Realität als auch das Personengefüge von El Topo spiegelt. Jodorowsky schließt seinen Frieden mit der Vergangenheit – und ist so großzügig, jeden daran teilhaben zu lassen.

17.02.2024

4

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