Rosie Schweiz 2013 – 106min.
Filmkritik
Die Alte und der verlorene Sohn
14 Jahre nach F. est un salaud hat Marcel Gisler, der längst in Berlin heimisch geworden ist, wieder einen Schweizer Kinofilm gedreht. Entstanden ist ein sanftes Drama um Liebe und Lüge, Alter, Würde und Unabhängigkeit.
Sie pafft wie ein Schlot, schluckt wie ein Specht und geniesst ihr Witwen-Dasein. Rosie, hoch betagt und eigenwillig, lässt sich nicht gern reinreden. Die Alte managt ihren Alltag selber, geniesst Wein und Zigaretten, bis sie ein leichter Schlaganfall aus der Bahn wirft. Ihr Sohn Lorenz (Fabian Krüger), ein passabel erfolgreicher Schriftsteller, taucht auf, um ihr zusammen mit seiner Schwester Sophie (Judith Hofmann) beizustehen, sie zu versorgen.
Sie meinen es gut, aber Rosie rebelliert, will sich nicht bevormunden lassen, sondern ihre Unabhängigkeit wahren. Sie ist stur, streitlustig und kategorisch. Während Sophie wieder einmal in einer Beziehungskrise steckt, nimmt es Lorenz, bekennender Homosexueller, locker und verbringt eine Liebesnacht mit Mario (Sebastian Ledesma) aus dem Dorf. Ein One-Night-Stand, denkt Lorenz, doch der junge Lover hat echte Gefühle, stösst aber beim oberflächlichen Lorenz auf wenig Gegenliebe, der seiner Mutter zuliebe zwischen Berlin und Altstätten hin und her pendelt. Den "Berliner" beschäftigt mehr die Vergangenheit, sein boxender Vater und dessen Verhältnis zu seiner Mutter. Alte Wunden brechen auf.
Altstätten, Schauplatz und Heimatort des Regisseurs Marcel Gisler, bleibt grau, fast gesichtslos. Rare Szenen auf einem Berg mit Blick ins Rheintal bringen die Landschaft ins Spiel. Doch überwiegend inszeniert Marcel Gisler sein zwischenmenschliches Drama in Innenräumen. Im Mittelpunkt steht unbestritten die rüstige Rosie - überragend verkörpert durch die 73-jährige Zürcherin Sibylle Brunner. Sie sperrt sich vehement gegen Altersschwäche und schwindende Unabhängigkeit. Die Szenen mit ihr im Clinch mit den Kindern sind stark, leben und beben. Dagegen wirkt Burgschauspieler Fabian Krüger als Heimkehrer auf Zeit insgesamt etwas orientierungslos und verloren - genau wie Judith Hofmann als unglückliche Schwester.
Man spürt die Sensibilität des Regisseurs, seine autobiografischen Verflechtungen in die Geschichte, doch verharrt das dörfliche Liebes- und Altersdrama in Sanftmut. Fast mut das zu abgerundet, betulich und versöhnlich an. Eine etwas härtere Gangart hätte dem Werk gut getan. Aber letztlich haut Sibylle Brunner den Film heraus: Die Heldin allein lohnt eine Begegnung.
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Kommentare
Rosie wird super dargestellt durch Sibylle Brunner! Sie ist wirklich durchtrieben, liebenswürdig und böse zugleich. Der Film geht einfühlsam mit allen Figuren um, er stimmt nachdenklich - ist aber durchaus amüsannt. Und das wichtigste: er wurde in der Ostschweiz gedreht - vorwiegend in und um Altstätten.… Mehr anzeigen
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