Tokyo Family Japan 2013 – 146min.

Filmkritik

Subtile soziale Deformation

Filmkritik: Eduard Ulrich

Yoji Yamada blickt gern in die Vergangenheit, und er tut dies auch diesmal, wenn er ein Meisterwerk seines großen Landsmannes Yasujiro Ozu aus dem Jahre 1953 in unsere Zeit versetzt: Ein altes Ehepaar besucht seine Kinder und Enkelkinder in Tokio, die aber kaum Zeit finden und mit dieser eigentlich völlig normalen Situation überfordert sind. Während die Rollen ausgezeichnet besetzt sind, ist die Inszenierung hölzern wie die japanische Gesellschaft. Kameraführung und der ruhige Rhythmus sind dagegen ein Vergnügen.

Yoji Yamada blickt nicht nur gern zurück, er bürstet die Geschichte auch gern gegen den Strich. Seine Samurai-Trilogie zeichnet kein glorreiches Bild, sondern das alltägliche Schlamassel der abgehalfterten Edelgardisten. Dafür rücken die Menschen mit ihren Gefühlen, Wünschen und Beziehungen in den Mittelpunkt.

Insofern war Yasujiro Ozus Meisterwerk aus dem Jahre 1953 eine ideale Vorlage, denn auch dort bestimmen die Beziehungen das Spannungsfeld. Ein altes Ehepaar kommt von einer ländlich geprägten Insel weit her nach Tokio, um seine Kinder und Enkelkinder zu besuchen. Und obwohl dieser Besuch längstens angekündigt ist, schaffen es die tokioter Verwandten nicht, sich angemssen darauf vorzubereiten, weil sie im hektischen Großstadtleben alles andere als ihre Eltern oder Großeltern im Kopf haben.

Es wäre nun ein leichtes gewesen, den Stab über diese kleinen und großen Egoisten zu brechen, aber damit wäre die Spannung weg und der Zweck verfehlt. Es geht - wie so oft bei guten japanischen Filmen - um das Studium der Kraftlinien im Geflecht der persönlichen Beziehungen und um ihre Verformung durch den Druck der gesellschaftlichen Konventionen.

Yoji Yamada bleibt sich handwerklich treu: Er verzichtet auf Effekte, lässt dem Geschehen seinen natürlichen Rhythmus und rückt die SchauspielerInnen in den Fokus der klug geführten Kamera. Leider bleibt er seiner Vorlage auch da treu, wo es nicht von Vorteil ist: Zuviel wird über künstlich informative Mono- oder Dialoge vermittelt, zuviele unübliche Reaktionen sollen den Charakter einer Figur oder einer Situation verdeutlichen.

Das können auch die ausgezeichneten SchauspielerInnen nicht wettmachen. Als nicht eben geglückt darf auch die Untertitelung charakterisiert werden, die holprige Neologismen introduziert, wo tradierte Wörter Usus sind. Die Tonspur inklusive Wahl der sparsam eingesetzten Musik ist wiederum von erlesener Qualität.

05.06.2024

3

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Kommentare

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willhart

vor 10 Jahren

Wer sich einlassen kann, wird belohnt. Und, es ist ein Augenöffner für die Verhältnisse, in denen wir leben dürfen


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