Traumland Belgien, Deutschland, Schweiz 2014 – 98min.
Filmkritik
Die Liebe im freien Fall
Die Suche nach Liebe ist ein seltsames Spiel. Und zuweilen ein Zerstörerisches, wie im exzellenten Spielfilmdebüt der Schweizerin Petra Volpe zu sehen. Es geht vorab um die sogenannt käufliche Liebe, mit einer Männerkundschaft auf der gierigen Suche nach Sex, vielleicht mit einem Hauch von Zuneigung oder Anerkennung. Und um Frauen, die diese Illusionsdienste gegen Geld anbieten und selber von Zuhältern brutal ausgenutzt werden
Wie es Mia (Luna Mijovic, grossartig) erlebt, die 18-jährige Bulgarin, die ihre Tochter in der Heimat zurückgelassen hat, um auf dem einstmals berüchtigten Strassenstrich am Zürcher Sihlquai zu arbeiten. Sie ist die Schlüsselfigur im packenden Episodendrama, das an Heiligabend spielt, dem oft besungenen Fest der Liebe.
Mia trifft auf ihrem Kreuzweg die fürsorgliche Gassenarbeiterin (Bettina Stucky), die privat ihre SM-Passion auslebt und dann zum Ehemann (Stefan Kurt) in den bürgerlichen Alltag heimkehrt. Mia begegnet aber auch unerwartet einer gutsituierten Familienfrau (Ursula Ladri), deren Gatte (David Striesow) ein notorischer Freier ist. Genau wie der verklemmte Rolf (André Jung), den die Gattin verlassen, die erwachsene Tochter verstossen hat.
Erstaunlich, mit wie viel Geschick Regisseurin und Autorin Petra Volpe ihre komplex angelegten Figuren in eine spannende Handlung einbettet. Da wirkt nichts aufgesetzt, was natürlich auch dem exzellenten Darstellerensemble zu verdanken ist. Mit dabei ist auch die Spanierin Marisa Paredes, eine Ikone aus Filmen von Pedro Almodóvar; sie verkörpert beeindruckend eine beziehungssuchende, spiessige Witwe.
Traumland ist erkennbar in Zürich angesiedelt, aber bildlich nicht an diese Stadt gefesselt. Es entsteht vielmehr eine allgemeingültige Urbanität, fern aller Postkartenidylle. Dafür rücken die Charaktere aus diversen sozialen und altersmässigen Schichten in den Fokus, was zu einem von winterlicher Beton-Tristesse umflorten Ambiente führt. Und eine atmosphärische Sogwirkung ausübt, der man sich nicht entziehen kann.
Dass die Auflösung keine pseudoversöhnliche Friede-, Freude-, Eierkuchen-Beschaulichkeit anpeilt, wird bald klar. Die geschundene Hure Mia schlittert schicksalshaft dem Elend entgegen, doch ohne das in minderen Werken leider oft wahrgenommene Sozialkitsch-Gedudel. Petra Volpe befördert das Ineinanderfliessen von Fiktionalität und kühler dokumentarischer Bildhaftigkeit, erzählt von der verzweifelten Suchen unauffälliger Menschen nach tabuisierten Formen vermeintlichen Glücks: Traumland ist ein hochemotionaler, stark besetzter Film von universeller Strahlkraft.
Dein Film-Rating
Kommentare
Starker Tabak und Realischtisch dargestellt. Das Filmende geht unter die Haut störend ist das das Schweizer Fernseh keinen Abspann zeigt und sofort Werbung einblendet bei so einem Ende ist das unverzeihlich.
Hässlich, entsetzlich und wichtig. Die Ermahnung an eine Entwicklung, die einem zu denken geben sollte. Bravo für diesen Film und die schauspielerischen Leistungen.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung