CH.FILM

Watermarks Schweiz 2013 – 80min.

Filmkritik

Expedition ins Reich der Gegensätze

Filmkritik: Eduard Ulrich

Der Schweizer Filmemacher und Produzent Luc Schaedler hat sich wieder nach Ostasien begeben und in drei Regionen Chinas nach interessanten Persönlichkeiten Ausschau gehalten, die er zu ihrem Leben und ihren Träumen befragen konnte. Obwohl es ihm gelingt, einige sehr private Geständnisse aufzuzeichnen, bleiben doch grundlegende Fragen offen, wodurch es dem Publikum schwer gemacht wird, die Bedeutung des Erfahrenen zu ermessen. Umso wichtiger wäre es gewesen, visuell Akzente zu setzen.

Zuerst im Norden nahe der Grenze zur Mongolei, dann in den Süden und schließlich zur größten Stadt der Welt führt der Weg, den Luc Schaedler - assistiert vom Sinologen Markus Schiesser - gewählt hat, um seinen drei Briefen, wie er die drei voneinander unabhängigen, monologisierenden Erzählungen im Untertitel nennt, kontrastreiche Gegensätze zu garantieren.

Allein die kargen, beigen Böden im Norden und die saftig-grüne Vegetation im Süden liefern einen unübersehbaren Gegensatz, hinter dem sich die erzählten Überlebensgeschichten aber nicht zu verstecken brauchen. Während im Norden eine junge Familie mit einen kleinen Sohn von Brautschau und divergierenden Lebenszielen berichtet, plagen im Süden einen hochgebildeten alten Mann aus einer ehemals begüterten Beamtenfamilie die Wunden der grausamen Macht- und der Kulturrevolution.

Der krasse Unterschied der ländlichen Schauplätze zur Megalopolis Chongqing mit ihren 32 Millionen Einwohnern leuchtet ebenfalls unmittelbar ein, auch wenn die insgesamt eher bescheidene Kameraarbeit hier besonders schmerzlich versagt, indem die Dimensionen dieses Molochs nicht annährend visuell transportiert werden. Hier hätte wohl die Stadtentwicklung selbst eine äußerst interessante Geschichte erzählt, aber auch die junge, selbständige Persönlichkeit mit ihrer bewegenden Familiengeschichte ist eine gute Wahl.

Wenn man nicht so richtig warm wird, könnte es daran liegen, dass einem die Hintergrundinformationen fehlen. Wer die Geschichte der drei Regionen kennt, versteht die Zusammenhänge und steuernde Kraft der Verhältnisse, die den meisten keinen großen Spielraum für ihre Lebensgestaltung lassen. Da der Film selbst keinen Versuch unternimmt, den Kontext zu schaffen, wäre er fürs Schulfernsehen geeignet, weil im pädagogischen Rahmen die Informationsdefizite aufgearbeitet werden können.

17.02.2024

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Kommentare

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tibet08

vor 10 Jahren

Ein Muss für alle, die mal hinter die Kulisse des grossen chinesischen Wirtschaftsboom sehen wollen. Der Dokumentarfilm hat mich sehr beeindruckt. Er erzählt auf eine sehr menschliche Art und Weise von Lebensschicksalen, die durchaus eine politische Nachricht enthalten. Hier werden die Geschichten derjenigen erzählt, die auf der Verliererseite des wirtschaftlichen Booms in China stehen.Mehr anzeigen


fanya

vor 10 Jahren

Bewegende Geschichten aus China! Unspektakulär inszeniert, aber dafür umso intensiver.


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