Félix et Meira Kanada 2014 – 105min.
Filmkritik
Vom Risiko der Liebe
Eine Liebesgeschichte zwischen Tradition und Ungebundenheit. Félix, ein Filou in Montreal, und Meira, eine chassidische Jüdin, verheiratet, nähern sich, verlieben sich. Eine unmögliche Liaison – vielleicht. Ein intimer Film des Kanadiers Maxime Giroux.
Winterliches Montreal. Die Kälte draussen hat sich auch im Leben der chassidischen Jüdin Meira ausgebreitet. Sie ist im strenggläubigen Kulturkreis eingebunden, in der Ehe mit ihrem orthodoxen Mann Shulem gefangen – wie eine Maus, die in ihrem Küchenschrank tatsächlich in eine Falle gerät. Reduziert auf ihre Rolle als Mutter und Ehefrau, findet Meira kleinen Freuden allein in moderner Musik, etwa in Rhythm’n‘Blues.
Auf der anderen Seite Félix, ein Junggeselle in der Nachbarschaft, der in den Tag hineinlebt, bindungslos wie ein naiver Junge, der nicht erwachsen werden will. Sein Vater stirbt, der ihn einst verstossen hat. Eine kleine Erbschaft winkt. In dieser Zeit weckt Meira seine Aufmerksamkeit. Man kommt sich näher, obwohl sie nach eigenem Bekunden «keinem Mann in die Augen blicken darf». Eine Reise nach New York stärkt die Zuneigung. Er nimmt’s locker, sie wird von Gewissensbissen geplagt und vom Ehemann bedrängt. Shulem (Luzer Twersky), der Orthodoxe, versucht zu verstehen und sucht das Gespräch mit Meira und mit Félix, dem Mann, den ein Versöhnungsbrief seines Vaters sehr bewegt. Ist die Ehe, die Familie zu retten? Ist die Liebe stärker als familiäre, gesellschaftliche Bande?
Sie nimmt sich eine Ehe-Auszeit, reist mit ihrer Tochter nach Venedig und mit Félix – erkundet das Leben ausserhalb einer strengen Gemeinschaft. Eine neue Liebe, ein neues Leben? Sie stellt die existenzielle Frage an Félix: «Wohin werden wir gehen?» Der Kanadier Maxime Giroux hatte vorher keinen Zugang zur jüdisch-chassidischen Gemeinschaft. Es hat ihn interessiert und er hat den Zugang gefunden. Mit diesem Liebesfilm versucht er zu verstehen, aber auch Wege aus der Abgeschlossenheit zu zeigen. Mit Martin Dubreuil als Félix und Hadas Yaron als Meira fand er die ideale Besetzung. Sein intimer, fast schon stiller Film – wenig Worte, aber vielsagende Bilder (Kamera: Sara Mishara) – beschreibt die Überwindung von Gegensätzen und Gemeinschaftszwängen, auch eine gewisse Befreiung und Selbstfindung. In diese teilweise poetischen Momente passt bestens der grüblerische Leonard-Cohen-Song «Famous Blue Raincoat». Der Film, kanadischer Oscar-Kandidat 2015, tut gut in einer lärmigen, effektheischerischen Kinozeit.
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