The Way He Looks Brasilien 2014 – 96min.

Filmkritik

Sexuelles Erwachen und Befreien

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der blinde Teenager Leo lebt wohl behütet und umsorgt bei seinen Eltern in São Paulo. Er entdeckt seine Sexualität und Liebe zu einem Mitschüler. Der Brasilianer Daniel Ribeiro schuf einen sehr intimen, leisen Coming-of-age-Film über Liebeserwachen.

Wie lebt und liebt es sich, wenn man blind ist? "Wer küsst mich zuerst", scherzen die beiden jungen Leute am Pool. "Vielleicht bin ich ein Frosch, der geküsst wird und sich verwandelt?" Teenager Leonard (Fabio Audi) und seine Schulfreundin Giovana (Tess Amorim) scherzen und necken sich. Der 15-jährige Leo ist blind und wird von Giovana auf dem Nachhauseweg an den Arm genommen, geführt, auch sonst kümmert sich das gleichaltrige Mädchen liebevoll um ihn und verteidigt den schüchternen Jungen vor Hänseleien der Schulkameraden. Das Umsorgen und Sorgen der Eltern um ihren blinden Sohn geht Leo zunehmend auf den Keks. Er träumt vom Ausbruch aus dem behüteten, aber auch kontrollierten Zuhause und einem Auslandaufenthalt, beispielsweise bei einer Familie in den USA. Giovana ist das nicht recht, denn sie hätte Leo gern für sich gewonnen.

Vieles ändert sich, als Gabriel (Ghilherme Lobo) neu in die Schulklasse eintritt und sich mit Leo anfreundet. Mehr und mehr gerät Giovana ins Abseits und schmollt, als die beiden spontan ohne sie ins Kino gehen und Gabriel seinem Freund den Film reportiert. Leo wird in einen Strudel von Gefühlen gezogen. Seine Sinne sind ganz auf den Freund fixiert. Ein flüchtiger Kuss löst eine Welle von überraschenden Empfindungen aus. Leo erkennt irritiert, dass er schwul ist.

Sein eigener Kurzfilm aus dem Jahre 2010 diente dem jungen brasilianischen Filmer Daniel Ribeiro als Vorlage für seinen langen Kinofilm. Leos Geschichte hat sich weiterentwickelt: Er möchte Selbstverantwortung übernehmen, sich mehr Freiheiten erlauben und die familiäre Sicherheit aufbrechen. Der Teenager will zu neuen Ufern aufbrechen. Das manifestiert sich in seinem Wunsch, ins Ausland zu gehen, und in seiner Zuneigung zum Krauskopf Gabriel.

Diese Entwicklung zeichnet Ribeiro zart und einfühlsam nach. Die ersten Blicke, der erste Kuss, Streicheleinheiten der Jungen, die zusammen eine Mondfinsternis erleben. Wie schon im Kino übernimmt Gabriel dabei das Sehen für Leo (von dem nicht blinden Fabio Audi überzeugend gespielt). Filmautor Ribeiro gelang ein stiller intimer Coming-of-age-Film, der nicht auf Sex, sondern auf Gefühle, nicht auf Lustbarkeit, sondern Sinnlichkeit setzt. Unspektakulär und sensibel.

18.02.2024

4

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Kommentare

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monsoleil

vor 10 Jahren

Grandiose!!!


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