Im Keller Österreich 2014 – 80min.
Filmkritik
Tauchgang in den Untergrund
Man muss nicht gleich an die redensartliche Leiche denken, wenn man Keller hört, aber im übertragenen Sinne bedeutet Keller u.a. das Verborgene, das Versteckte, das Vergessene. Ulrich Seidl gelangt über die Inspektion der räumlichen, bestens ausgeleuchteten Keller an die verborgenen, dunklen Stellen in den Seelen ihrer Nutzer. Mit seiner speziellen Auswahl und seiner stilisierten Inszenierung bietet er bewusst keinen repräsentativen Querschnitt, er nähert sich vielmehr den Extremen. Das zu zeigen und anzusehen benötigt schon etwas Mut und Geduld.
Ulrich Seidl interessiert, was an den Rändern der Gesellschaft sprießt und von den Massenmedien und der Mehrheit der Bevölkerung geflissentlich ausgeblendet oder verdrängt wird. Die Form, um seine Forschungsreisen und -ergebnisse zu präsentieren, wählt er nach Zweckmäßigkeit, wodurch die Grenzen zwischen Dokumentation und Inszenierung zwangsläufig verschwimmen. Arbeitete er in seiner Paradies-Trilogie mit Laiendarstellern und realem Hintergrund, was dem Geschehen eine dokumentarische Authentizität verlieh, so gestaltet und inszeniert er das Material in seinem aktuellen Werk derart, dass man sich öfters fragt, ob das noch Dokumentation sei (sehr zu empfehlen: Seidl im Gespräch mit Stefan Gubser).
Seine Protagonisten treibt er so bis an die Grenze des Zumutbaren oder darüber hinaus. Kommentarlos folgt er ihnen in den Untergrund und provoziert damit Missverständnisse, deren Klärung wir mit Spannung erwarten, was uns während mancher, etwas ausgedehnten Szene bei der Stange hält. Überhaupt muss man schon Interesse für die teils recht abwegigen Nutzungen und ihr Personal aufbringen - vor allem, wenn es sich um sehr private oder an der Grenze der Legalität liegende Aktivitäten handelt.
Seidl lockert seinen Reigen auf, indem er die Stationen mit hoher Aufenthaltsdauer nur häppchenweise bringt, nach einigen Minuten wechselt u.s.w., so dass es gut und gern mehr als 10 Minuten dauern kann, bis man die Fortsetzung zu sehen bekommt. Diese Verzahnung schafft allerdings keinen Mehrwert an Erkenntnis, da die verschiedenen Stationen nicht miteinander in Beziehung stehen. Der Keller als Ventil, um den gesellschaftlichen Druck abzulassen, als Manifestation unserer Träume und Perversionen? Man darf Seidls Courage bewundern, diesen riskanten Film auch mit seinen heiklen Szenen realisiert zu haben. Und man darf ihm Erfolg wünschen, denn den hat er verdient, auch wenn er wahrscheinlich nur ein spezielles Publikum anspricht.
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