Jimmy's Hall Frankreich, Irland, Grossbritannien 2014 – 109min.
Filmkritik
Ein Dorn im Auge
Keine Frage: Ken Loach ist eine Ausnahmeerscheinung. Und wenn es stimmen sollte, dass Jimmy's Hall, sein letzter Film ist, dann ist das für die Filmwelt unbedingt ein Verlust. Denn niemand hat sich in seiner Arbeit so beharrlich so viel Engagement gezeigt, sich so sehr für die Armen und Unterdrückten eingesetzt, so vehement die Politik ins Kino geholt und die Kunst gegen alle Widerstände mit den eigenen Ansichten verschmolzen.
Jimmy's Hall stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar. Loach erzählt darin vom real existierenden irischen Freiheitskämpfer und Kommunisten Jimmy Gralton, der 1932 aus dem US-Exil in seine Heimat zurückkehrt. Alte Wegbegleiter und vor allem zahlreiche Jugendliche aus der Umgebung bringen ihn dazu, seinen einstigen Tanz- und Veranstaltungssaal wieder zu eröffnen, der stets Begegnungsstätte und Hort eines freigeistig-liberalen Aktivismus war. Doch der katholischen Kirche im innerlich zerrissenen Irland ist Gralton (Barry Ward) noch immer ein Dorn im Auge, und so sehen er und seine Freunde sich bald mehr als bloß Restriktionen gegenüber.
Ken Loach ist also kein Freund von Kirche und Kapitalismus? Und er macht Parallelen aus zwischen den damaligen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und heute? Wer hätte das gedacht! Dass der Brite mit Jimmy's Hall allzu erwartbar in seine üblichen Kerben haut, ist prinzipiell nicht das Problem. Man gibt ihm ja in seinen Meinungen gerne Recht, sein Protagonist ist sympathisch und Newcomer Ward verkörpert ihn entsprechend. Selbst die dauernde volksmusikalische Fiedel-Untermalung – gepaart mit Grammophon-Jazz aus den USA und jeder Menge geschwungener Tanzbeine – würde man aller Nerverei zum Trotz noch hinnehmen.
Wirklich kaum zu ertragen ist allerdings, dass Loach der Kraft seiner eigenen Geschichte nicht vertraut. Wie schon in Looking For Eric oder The Angels' Share durchzieht Humor den ganzen Film. Doch während sich dort gerade in der Leichtfüßigkeit sein scharfer Blick auf soziale Missstände verbarg, kommt dieses Mal auch der Holzhammer zum Einsatz. Immer wieder lässt er seine Figuren in engagiert, aber bemüht geschwungenen Reden all das erklären und nochmals verdeutlichen, was man als Zuschauer längst begriffen hat. So wenig subtil und so betulich wie in Jimmy's Hall hat man Loach selten leider erlebt. Ein Grund mehr, auf doch noch einen weiteren Film des Altmeisters zu hoffen.
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Nachdem der Wind die Gerste geschüttelt hat, Eric gesucht und gefunden wurde und die Engel ihren Anteil bekommen haben, stellt Ken Loach nun einen Tanzsaal auf dem Lande ins Zentrum seiner Auseinandersetzung mit der irischen Geschichte. Die verzwickte Geschichte des Landes bemüht er nur am Rande. Vielmehr nutzt er die unerfüllte Liebesgeschichte von Jimmy (Barry Ward) und Oonagh (Simone Kirby) und den Wiederaufbau eines Schuppens dazu, um gegen die Kirche und die Großgrundbesitzer zu Felde zu ziehen. In dieser wahren Geschichte wird das Weltbild, das lange Zeit das Denken der Menschen bestimmt hat (bei manchen vielleicht immer noch bestimmt), klar in Gut und Böse unterteilt. Die Bösen sind die Kommunisten und die Gottlosen, die Reichen paktieren mit den Faschisten und (sic!) mit der Kirche. Das differenzierte Drehbuch von seinem Freund Paul Laverty zeigt, dass der Tanzschuppen so etwas wie eine VHS und Turnhalle war. Beides lehnen Kirche und Reiche für das ‘gemeine Volk‘ ab. Die sollen ja auch nicht Yeats lesen oder sich beim Boxen körperlich ertüchtigen. Überraschend der Gesinnungswandel von Pfarrer Sheridan (Jim Norton), den Jimmy im Beichtstuhl aufsucht.
Um seine Botschaft rüber zu bringen, hat Ken Loach wieder einmal gehaltvolle Diskussionen und harte Action (hier das Durchgreifen der englischen ‘ Besatzer‘) gut gemischt. Zum Ausgleich dürfen sie sich aber auch zum Affen machen, wenn ihnen Jimmy entwischt. Ken ist einfach klasse!… Mehr anzeigen
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