La ritournelle Frankreich 2014 – 96min.

Filmkritik

Belebende Flucht aus dem Alltag

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Über die Jahre ist die Ehe des Bauern Xavier (Jean-Pierre Darroussin) und seiner Frau Brigitte (Isabelle Huppert) ziemlich eingeschlafen. Kein Wunder also, dass sie endlich wieder einmal in die Grossstadt Paris will - ohne Wissen ihres Mannes allerdings. Marc Fitoussis charmante Komödie gefällt durch zwei bestens aufgelegte Stars und einen feinen Blick für Gefühlsregungen.

Xavier ist mit Leib und Seele Viehzüchter in der Normandie. Wieder fährt er mit seinem Bullen bei einer Viehausstellung den ersten Preis ein. Seine Tier sind sein ganzer Stolz, seine Frau Brigitte dagegen, die er seit der Landwirtschaftsschule kennt, gehört für ihn einfach zu seinem Leben dazu. Dass sie auch Wünsche, Bedürfnisse, Sehnsüchte haben könnte, nimmt er nicht wahr.La ritournelle beginnt ganz realistisch - mit der Schilderung der Viehausstellung und der Geburt eines Kalbes. Marc Fitoussi versetzt dabei die Städterin, die Chabrol-Dame, die Intellektuelle Isabelle Huppert, mit der er schon Copacabana gedreht hat, in ein ungewohntes Milieu.

Wie in jenem Film erzählt der Franzose auch hier von einem Ausbruch aus dem Alltag. Bei Brigitte wächst nämlich zunehmend das Gefühl, etwas verpasst zu haben und das Bewusstsein, dass das Leben vergeht. Diese Krise äussert sich in einem Hautausschlag am Hals auch schon physisch. Als sie aber auf einer Party den jungen Pariser Stan (Pio Marmai) kennenlernt, erwachen in ihr die Lebensgeister, die Lust auf Abwechslung und etwas Neues. So nimmt sie ihren Hautausschlag als Vorwand für einen Dreitagestrip nach Paris, erklärt einen Dermatologen zu besuchen und bucht für zwei Nächte ein Zimmer in einem Hotel, in dem sie bald Bekanntschaft mit einem dänischen Zahnarzt (Michael Nyqvist) macht.

Wie sich Brigitte und der Zahnarzt näher kommen, durch die Stadt ziehen, mit einem Riesenrad fahren, erinnert an Sofia Coppolas Lost in Translation. Gefühlvoll und von sanftem Witz durchzogen ist Fitoussis Blick auf dieses Duo und die Nähe, die sie als Fremde in der Grossstadt suchen. Vom realistischen Beginn wandelt sich La ritournelle immer mehr ins Märchenhafte. Das Magische und Bezaubernde, das Fitoussi der Metropole abgewinnt, resultiert dabei auch aus dem neugierigen und verzauberten Blick von Landei Brigitte. Nur eine Frage der Zeit ist es freilich, bis ihr Mann misstrauisch wird.

Die Handlung dieser warmherzigen Komödie mag wenig aufregend und überraschend sein. Doch Fitoussi inszeniert feinfühlig und mit viel Gespür für Gefühlsregungen, und er kann auf seine zwei wunderbar harmonierenden Hauptdarsteller vertrauen: Allein der sich verändernde Blick der Huppert, wenn sie aus einer Rechnung erkennt, dass ihr Mann auch in Paris war, ist schon eine Meisterleistung. Und wunderbar knurrig, aber im Kern doch gutmütig und seine Frau mehr liebend als ihm selbst bewusst ist, ist Jean-Pierre Darroussin mit seinem grauen Dreitagebart in der Rolle des Ehemanns.

19.02.2024

4

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Kommentare

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fleuve

vor 9 Jahren

Ein schöner Film über eine langjährige Liebe, witzig und gut gespielt.


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