Zu Ende ist alles erst am Schluss Frankreich 2014 – 92min.

Filmkritik

Geschichten, die das Leben schreibt

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Den Ernst des Lebens heiter verpackt – diese Gratwanderung unternimmt der französische Bestsellerautor David Foenkinos in seinen Romanen immer wieder. Les souvenirs, der von den kleinen und großen Problemen einer bürgerlichen Pariser Familie handelt, findet nun den Weg auf die Leinwand. Leichtfüßig und amüsant adaptiert von Schauspieler Jean-Paul Rouve, der seine dritte Regiearbeit vorlegt.

Als wäre er mit seiner eigenen Zukunftsplanung nicht schon überfordert genug, muss sich der Literaturstudent Romain (Mathieu Spinosi) nach dem Tod seines Opas auch noch um die Sorgen und Nöte seiner Familienmitglieder kümmern. Vater Michel (Michel Blanc) entwickelt mit dem Übertritt ins Rentnerdasein depressive Tendenzen. Mutter Nathalie (Chantal Lauby) beginnt, an ihrer Ehe zu zweifeln. Und Oma Madeleine (Annie Cordy) ist entrüstet, als Michel und dessen Brüder sie in ein Altenheim abschieben und ihre geliebte Wohnung verkaufen. Kurzerhand nimmt die alte Dame Reißaus, was Romains Vater endgültig verzweifeln lässt. Eine in der Normandie abgeschickte Postkarte führt den Studenten kurze Zeit später allerdings auf die Spur seiner Großmutter.

Einfach hat es sich Rouve mit der Adaption dieser generationenübergreifenden Geschichte sicher nicht gemacht. Immerhin hätten die zahlreichen Handlungsstränge auch ein vollkommen banales Beziehungsgeflecht ergeben können, dem irgendwann jeglicher Schwung abgeht. Tatsächlich gelingt es dem französischen Filmemacher aber recht gut, die unterschiedlichen Figuren und ihre Ängste und Sorgen in ein stimmiges Gesamtbild zu bringen. Und darüber hinaus große Themen wie Liebe, Tod und Kindheitserinnerungen auf ungezwungene Weise zu verhandeln.

Auch wenn die Geschichte hier und da, insbesondere gegen Ende, etwas konstruiert anmutet, reißen die großen und kleinen Entwicklungen den Zuschauer fortlaufend mit. Was vor allem daran liegt, dass die Protagonisten gerade durch ihre sehr vertrauten Schwächen absolut menschlich erscheinen. Ganz besonders gilt dies für den von Michel Blanc temperamentvoll verkörperten Neu-Rentner, der den klaren Strukturen seiner früheren Beamtentätigkeit merklich hinterhertrauert.

Erwähnen muss man sicher auch einige herrlich skurrile Nebenfiguren, die das Geschehen an entscheidenden Stellen mit überraschend hervorbrechendem Witz aufladen. Etwa der vom Regisseur selbst gespielte Hotelbesitzer, der Romain als Nachtportier einstellt und den jungen Mann bestärkt, Schriftsteller zu werden. Oder aber ein gewöhnlicher Tankwart, der sich als prophetischer Ratgeber entpuppt, ohne dass dies vollkommen albern wirken würde.

16.04.2024

4

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Kommentare

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8martin

vor 9 Jahren

Es ist keine Tragödie, obwohl es zwei Todesfälle gibt. Aber Regisseur Rouve (hier als Hotelier zu sehen) kommt mit so viel herzerwärmendem Charme seiner Figuren daher, dass man eher zu Tränen gerührt ist. Dabei geht es eigentlich um erste Dinge: Oma Madeleine (Annie Cordy) soll ins Heim, ihre Söhne angeführt von Michel Blanc verkaufen hinter ihrem Rücken ihre Wohnung und seine Frau Natalie (Chantal-MadameClaude-Lauby) will sich von ihm scheiden lassen. Dabei wird die Geschichte vornehmlich aus der Perspektive von Enkel Romain (Mathieu Spinosi) erzählt, einem echten Charmebolzen mit Witz und Humor. In seiner Person laufen alle Handlungsfäden zusammen. Und zwar vor allem die der Alten, denn er ist ja der Jüngste in der Familie. Er ist so überaus nett und versteht Eltern und Oma besser als sie sich. Sogar in der Liebe kann beim ihm der Erfolg nicht ausbleiben.
Das Drehbuch verfolgt die gut gesetzten Gags nach dem Muster ‘Man begegnet im Leben allem und jedem immer zweimal‘: Anfangs kommt Romain zu spät zu Opas Beerdigung, am Ende verpasst seine Neue (Flore Bonaventura) die seiner geliebten Oma. Erst holt sich der Sohn Rat bei einem Tankwart, später der Vater. Und da gibt es volle Kanne aus der Taschenpsychologie: ‘Wenn das im Heute nicht weitergeht, beginnt das Morgen aus dem Gestern‘ oder ‘Die Realität liegt in der Evidenz, weil die Evidenz in der Realität liegt‘. Das braucht einen aber nicht weiter zu beunruhigen, denn der Gefragte versteht es auch nicht. Chantal erzählt z. B. wie sie sich in Michel verliebt hat. Später spielt er das genauso nach. Wenn Oma in ihrer alten Schule von den Kindern befragt wird, ist das ein echtes Highlight. Da verfolgt man den Abspann entspannt beim untertitelten Softsong ‘Lass dich gehen für die Dauer eines Kusses‘. Ein durch und durch Feel-Good Movie, das mit einem nichtssagenden deutschen Titel leben muss.Mehr anzeigen


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