Pepe Mujica – Lektionen eines Erdklumpens Deutschland 2015 – 94min.

Filmkritik

Staatsmann ohne Krawatte

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Vom Bauern und Guerrillero zum Staatsoberhaupt: Pepe Mujica wurde 2010 Präsident Uruguays. Die Schweizerin Heidi Specogna hatte bereits 1995/96 den Film Tupamaros über ihn und die Guerillabewegung gedreht. Was ist 20 Jahre später aus dem hemdsärmeligen Präsidenten geworden? Ein beeindruckendes Porträt über einen Mann von Ehrlichkeit und Charisma.

Er gleicht eher dem spitzbübischen Bürgermeister Peppone aus alten Filmen als einem Guerrillero wie Che Guevara oder einem Staatsmann wie Helmut Schmidt. Ein gemütlicher Landmann, der lieber auf seiner Finca Blumen züchtet als im Präsidentenpalast Montevideos Akten studiert. Pepe Mujica, rüstige 80 Jahre alt, hat die Knute der Diktaturen gespürt und über 14 Jahre in Gefängnissen zubringen müssen.

Als Gründungsmitglied der Stadtguerilla MLN – Tupamaros (Movimiento de Liberación Nacional) hat er erlebt, wie in Uruguay Repressalien gegen Aufmüpfige verstärkt wurden, die Tupamaros zu Waffen griffen (1968/69), Geiseln nahmen, der Kriegszustand ausgerufen wurde, massenhaft Menschen verfolgt und inhaftiert wurden. So auch Pepe und seine Frau Lucía Topolansky, die MLN-Aktivistin und Widerstandskämpferin.

Bei den Parlamentswahlen 1994/95 wurde Pepe Mujica ins Repräsentantenhaus gewählt, wurde 1999/2000 Senator und im März 2005 Landwirtschaftsminister. Im März 2010 wird er als Staatspräsident vereidigt. Dieses Amt übt der hemdsärmelige Pepe bis 2014 aus. Er bekämpft die Arbeitslosigkeit, saniert und stabilisiert die Trinkwasserversorgung, versucht, soziale Ungerechtigkeit abzubauen, und hat stets ein Ohr für die Sorgen der unterprivilegierten Bevölkerung. Er ist auf Staatsbesuch bei Obama, in Deutschland und anderswo. Er nimmt seine Pflicht wahr. Doch dieser Anzug passt ihm, dem Präsident ohne Krawatte, nicht so recht.

Die Schweizer Filmerin Heidi Specogna, seit 2007 Dozentin für Dokumentarfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg und an der Luzerner Hochschule für Gestaltung und Kunst, hatte bereits vor bald 20 Jahren einen Film über Pepe Mujica und die "Tupamaros" gedreht. Was ist aus dem Mann geworden? Hat ihn die Zeit, das Amt verbogen? Ist er seiner Linie, seinen Ideen treu geblieben?

Er sagt selbst: "Ich lebe weiterhin wie bisher, mehr oder weniger. Das alles hat mich ein bisschen verändert, aber im Wesentlichen bin ich der Gleiche geblieben. Mein Leben ist ein bisschen komplizierter geworden, aber gut, das geht auch wieder vorbei, wie alles." Specognas einsichtiges, sympathisches Porträt über "El Presidente", über den Politiker und Menschen von Ehrlichkeit und Charisma, ist auch ein Beitrag über Menschlichkeit in der Politik, die Hommage an eine unerschütterliche Figur und die Kraft der Liebe – zwischen Pepe und Lucía.

19.02.2024

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