Une nouvelle amie Frankreich 2014 – 105min.

Filmkritik

Une nouvelle amie

Filmkritik: Andrea Wildt

In seinem 16. Spielfilm lotet François Ozon erneut die Tiefen menschlicher Beziehungen aus und will die Transsexualität als eine sinnliche Suche nach Freiheit verstanden wissen. Eine facettenreiche, aber auch stereotype Liebeserklärung an die Frau.

François Ozon gehört zu den vielseitigsten und produktivsten Filmemachern des zeitgenössischen Kinos. Von Musical (Acht Frauen) über Komödie (Potiche) und Thriller (Swimming Pool) bis hin zum fantastischen Film (Ricky) hat der Franzose in 14 Jahren diverse Filmgenres immer wieder überraschend neu interpretiert. Aber auch sein 16. Spielfilm behandelt mit der Familie erneut sein Hauptthema. Anhand der Transsexualität eines Witwers zeigt er dieses jedoch in einer bisher direktesten Weise, wobei nicht weniger subtil und sinnlich als in vorherigen Filmen.

Die sexuelle Sinnsuche einer Studentin in Ozons letztem Film Jeune et jolie sorgte für kleinere Skandale, und auch für Une nouvelle amie ist die eine oder andere Aufregung zu zu erwarten: Romain Duris spielt darin einen Witwer, der sich als Frau fühlt und daheim Kleider und Perücke trägt. Als Claire (Anaïs Demoustier), die beste Freundin seiner verstorbenen Frau, sein Geheimnis entdeckt, nähern sich die beiden langsam aber zielstrebig an.

Nach Prostitution nun also Transsexualität. Selten, aber auch nicht neu auf der Kinoleinwand: Pedro Almodóvar erzählt seit Jahren davon, kürzlich Xavier Dolan, früher Oskar Roehler, Sydney Pollack oder Billy Wilder: Gleichwohl schafft es Ozon, den Wunsch nach dem anderen Geschlecht als eine existentielle und vor allem verstörend sinnliche Suche zu zeigen. Gleich zu Beginn wird ein Körper zur Frau gestylt: Lippenstift, Wimperntusche, Nagellack, Strümpfe, Haare und Kleider sind wiederkehrende Motive, an denen Ozon den Sinneswandel seines Protagonisten nachzeichnet. Romain Duris verkörpert seine Figur von David bis zu Virginia mit einem Existentialismus und Idealismus, der berührt. Seine Worte und Gesten zeigen anschaulich, wie schmerzlich und erfüllend zugleich sich eine solche Umwandlung anfühlt.

Der Film basiert auf einer Geschichte der britischen Bestsellerautorin Ruth Rendell, die schon Claude Chabrol und Pedro Almodóvar zu filmischen Intrigen inspirierte. Als Krimi hat der Plot alles, was es für ein Drama braucht. Doch Ozon verweigert wiederholt den Absturz. Stattdessen eröffnet er seinen Figuren - und mit ihnen uns - die Freiheit. Sanft und elegant ergibt sich in Une nouvelle amie abermals eine ungewöhnliche Konstellation einer Familie. Das ist das eigentlich Verstörende und Verführerische an seinen Filmen.

15.12.2014

4

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Kommentare

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willhart

vor 9 Jahren

Ich bin froh, entwickelt sich die Geschichte langsam.
So wäre dies wohl auch im wirklichen Leben. Überzeugend dargestellt, wie niemand davor gefeit ist, Regungen zu haben, die nicht in die konforme Welt passen - und wie sich ein Modus Vivendi findet.
Sackstarke Schauspieler - allen voran Romain DurisMehr anzeigen


kinopeitsche

vor 9 Jahren

Ich hab mich gelangweilt. Die Geschichte lahmt, kommt kaum vom Fleck. Diesmal hat Ozon mit seinem Lieblingsthema „Schein und Sein“ kein Schwein. Nein.


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