Rams Island 2015 – 90min.

Filmkritik

Stur wie Schafsböcke

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Zwei verkrachte Brüder sprechen seit vierzig Jahren nicht miteinander. Beide sind leidenschaftliche Schafzüchter und werden eines Tages mit einer Seuche konfrontiert. Karg, lakonisch, schräg – das isländische Beziehungsdrama Rams ist so einmalig wie das raue Nordland und seine Menschen, ausgezeichnet mit dem Golden Eye Award am 11. Zurich Film Festival.

Sie sind Rivalen, haben sich vor Jahrzehnten zerstritten. Ging es ums Erbe, um Befindlichkeiten? Wer weiss? Die ergrauten Brüder Gummi (Sigurdur Sigurjónsson) und Kiddi (Theodor Júlíússon) sprechen seit vierzig Jahren nicht mehr miteinander. Die knorrigen Rivalen treffen beim alljährlichen Schafzüchterwettbewerb aufeinander, und Kiddis Schafsbock gewinnt. Das kommt Gummi «spanisch» vor, und er entdeckt beim Siegerbock Symptome einer verheerenden Krankheit, einer Art Schafswahnsinn. Die Behörden verfügen eine Notschlachtung in diesem Tal. Nicht nur Kiddis Schafherde ist davon betroffen, sondern auch die von Gummi. Doch das Schlitzohr ist ein Sturkopf und lässt seine Schafe nicht verkommen. Nur ohne Hilfe geht’s nicht. Und so schickt er seinem Bruder eine Botschaft...

Es sind knorrige, kernige Kerle, diese verfeindeten Brüder, und alle anderen auch. Man hat das Gefühl, dass die herbe Landschaft Islands diese Menschen geprägt hat. Man denkt an isländische Filme wie Of Horses and Men. Auch dort ging's um Tiere und Menschen, gestörte Beziehungen und fatale Situationen. Der junge isländische Regisseur und Drehbuchautor Grímur Hákonarson spielt diese Stärke in Rams aus, die archaischen Beziehungen, die Abgeschiedenheit (auch in den Köpfen) und eine verschüttete, schlummernde Bruderliebe. Ein Konflikt wird durch andere Konflikte überlagert. Wenn es ums Existenzielle geht, werden alte Bande aktiviert. Hákonarson reduziert, um Konturen und Konflikte desto schärfer zu zeichnen. Nicht ohne Spannung und Wendungen. Am Ende münden Kälte, Konflikte in wunderbare zärtliche Momente.

Der Verleihtitel Rams bedarf einer Erklärung. Im Englischen steht «RAMS» für «Reliability – Availability – Maintainability – Safety», also für Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Wartbarkeit und Sicherheit im Bereich von Normen etwa in der Bahnindustrie. RAMS steht für einen Prozess oder eine Methodik, die Fehler in der Planung von Projekten zu verhindern sucht. Es geht also um Funktionalität und Gefährdung bei Systemen – oder wie im Film Rams um Verbindungen, Gefahren, Sicherheiten und nicht zuletzt um die Wart- und Haltbarkeit. Aber vielleicht ist es auch viel einfacher: Verantwortung und Verbrüderung finden sich, Liebe siegt über Dünkel und Ego-Befinden. Schlicht, schräg und schön.

14.12.2015

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 8 Jahren

Das islandische Setting und die Ausgangsituation mit den zwei zertrittenen Schafzüchter-Brüdern reichten um den Film interessant zu machen, aber letztlich blieb "Hrutar" unbefriedigend.


zuckerwättli

vor 8 Jahren

Einzigartig und eigenartig - so was kann nur aus dem Norden kommen:)


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