James White USA 2015

Filmkritik

Ein Mann und seine Dämonen

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Als sein entfremdeter Vater stirbt, und seine Mutter an Krebs erkrankt, gerät das Leben eines New Yorker Mittzwanzigers komplett aus den Fugen.

Ein bärtiger Mann lehnt an die discobeleuchtete Bartheke. Schäkert mit einer Dame. Verlässt bald darauf den Club. Tageslicht erhellt New York. Rein ins Taxi, einnicken, aufwachen, raus aus dem Taxi, rein in das Apartment. Nun schläft er die durchzechte Nacht nach, oder schaut Fernsehen, so mag man sich denken. Stattdessen ist die Wohnung voller Trauergäste. Der Vater ist gestorben. Und der Sohn, James White, verspätet und irritierend unbetroffen.

Mit dem Leben als nonchalanter Grossstadt-Schlufi, wie man ihn auch schon des Öftern im Kino gesehen hat, hat das wenig zu tun. James führt vielmehr ein entgleistes Dasein: Er prügelt sich, er hintergeht seine Freundin und versemmelt zwischendrin ein Jobinterview in beängstigend nachlässiger Manier. Zwischenzeitlich nimmt eine Auszeit in Mexiko, um den Blick zu weiten, einen Plan für sein Leben zu entwerfen. Es geht in keine Richtung. Dann ruft die Mutter an: Der Krebs ist zurück. Und damit endgültig auch James’ Dämonen.

Josh Moon hat sich in seinem Debütfilm James White gegen seine eigentliche Intention an etwas ganz Privaten aus seinem Leben bedient: Der Erkrankung seiner Mutter an Krebs. Ihn interessiert die Auseinandersetzung mit dieser Situation. James White kennt dabei nur zwei Modi: Entweder verdrängt er seine Emotionen, wie immer nur möglich. Oder er sieht sich komplett seiner Gefühle ausgeliefert, agiert ungehalten, exzessiv, selbstzerstörerisch.

Wuchtig wie verwundbar verkörpert Christopher Abbott diesen James White. Mittels vielen Close-up-Kameraaufnahmen sehen wir den gefühlten halben Film lang direkt in sein Anlitz. Beengt ist diese Sicht, genau wie es Whites Welt ist. Kümmert er sich um seine Mutter, hat sich dieser Blick zu weiten. Dann sehen wir ein intensives Zusammenspiel von Abbott mit einer grossartigen Cynthia Nixon (bestens bekannt aus "Sex and the City"). Und wir sehen den anderen James White: Einen sorgsamen Mann, der sich vollumfänglich auf eine Aufgabe einlässt, und der darüber hinaus genügend Fantasie hat, etwa um seine Mutter im Bad auf eine letzte Reise nach Paris zu nehmen. Nicht erst in dieser grossartigen Szene ist Josh Moons Film ein sehr menschlicher, intimer. Spätestens aber dann ein hoffnungsvoller.

11.08.2015

4

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