Die Kommune Dänemark, Niederlande, Schweden 2015 – 111min.

Filmkritik

Zusammen ist man trotzdem allein

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Mitte der 1990er Jahre ging von Dänemark aus ein kreativer Ruck durch die internationale Filmszene. Mit dem Dogma-Manifest gründete eine Gruppe junger Filmemacher eine neue Art des filmischen Erzählens. Dogma war vor allem eine Verzichtserklärung, ein Keuschheitsgelübde: Es durfte keine nachträgliche Musik verwendet werden, nur an Originalschauplätzen gedreht und kein künstliches Licht oder Filter verwendet werden (was allerdings die meisten Regisseure nicht davon abhielt, von Anfang an gegen diese Regeln zu verstoßen).

Der erste Dogma-Film Das Fest war der Startschuss für die internationale Karriere von Regisseur Thomas Vinterberg und auch wenn er sich schon lange vom eigenen Dogmatismus verabschiedet hat, zeigt er mit seinem neuen Film Die Kommune, wie man sich auf anderen Ebenen gängigen Regeln verweigern kann.

Die Kommune erzählt vom Architekturdozenten Erik (Ulrich Thomsen), der von seinem Vater ein Haus in der Nähe von Kopenhagen geerbt hat. Während Erik das Haus als zu groß empfindet und es verkaufen will, möchte seine Frau Anna (Trine Dyrholm), eine bekannte TV-Nachrichtensprecherin, hier gemeinsam mit Freunden einziehen. Anfangs sträubt sich Erik gegen diese Idee, doch schon bald bevölkert ein Dutzend Frauen, Männer und Kinder die Villa und man trifft gemeinsame Entscheidungen, diskutiert, und verbringt zusammen den Alltag. Doch als Erik sich in eine Studentin verliebt und sie mit in die Kommune bringt, gerät das soziale Gefüge im Haus in eine Schieflage.

Nach seinem viktorianischen Kostümfilm Am grünen Rand der Welt lässt Vinterberg mit Die Kommune nun das Lebensgefühl der 1970er Jahre auferstehen. Und er beweist damit erneut, dass ihm seine dänischen Produktionen deutlich besser gelingen als seine Ausflüge ins englischsprachige Kino. Zum ersten Mal seit Das Fest hat er wieder gemeinsam mit Trine Dyrholm und Ulrich Thomsen gedreht. Hinter den Kulissen war es also wie ein kleines Familientreffen und diese Vertrautheit ist auch auf der Leinwand spürbar. Vor allem Trine Dyrholm ist als lebenslustige Reporterin grandios und hat für diese Rolle zu Recht auf der Berlinale 2016 den Silbernen Bären als Beste Schauspielerin gewonnen.

Vinterberg ist selbst in einer Kommune groß geworden und dies wird auch deutlich, denn obwohl die Geschichte nicht autobiografisch ist, wird das Experiment, eine andere Lebensform als die Kleinfamilie zu finden, ernst genommen. Diese Kommune dient nicht als Vorlage für plumpe Witze über körnerfressende Strickhippies mit ihren ewigen Plenumsdiskussionen, vielmehr scheint hier die soziale Utopie zu funktionieren. Zumindest teilweise.

Denn Vinterberg macht auch deutlich, dass ein anderer Lebensentwurf nicht unbedingt ein völliges Brechen mit allen Traditionen bedeutet: Die Kommune ist kein Swinger-Ort der freien Liebe, sondern entstammt lediglich der Sehnsucht, sich mit inspirierenden Menschen zu umgeben. Das Ende einer Liebe bleibt trotzdem schmerzvoll, das kann auch eine liebevolle Gemeinschaft nicht verhindern.

19.02.2024

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