Lamb Äthiopien 2015 – 94min.
Filmkritik
Der kleine Junge und das Lamm
Ein kleiner Junge muss sich im Hochland Äthiopiens gegen ein in Traditionen verwurzeltes Umfeld behaupten. Lamb ist ein anrührendes, angenehm zurückhaltend inszeniertes Drama, trotz einiger Rührseligkeiten und pathetischer Elemente in Handlung und Musik.
Um ihn vor der Dürre zu bewahren, wird der 9-jährige Ephraim (Rediete Amare) von seinem Vater ins fruchtbare Hochland Äthiopiens gebracht. Eine besonders emotionale Bindung hat der aufgeweckte Junge zu seinem Lamm Chuni, das er zu den Verwandten mitnimmt. In der neuen Umgebung fühlt sich Ephraim aber nicht wohl, zumal sein Onkel ihn zwingen will, Chuni für das anstehende Familienfest zu opfern. Für Ephraim steht fest: um das Tier davor zu bewahren, muss er alleine die beschwerliche Heimreise antreten. Der Junge braucht einen Plan, um es nach Hause zu schaffen und um an Geld für das Busticket zu kommen.
Nach drei Kurzfilmen ist Lamb der erste Langfilm des äthiopischen Regisseurs Yared Zeleke. Dem Film, der vom Kampf eines Jungen zurück in die Freiheit und gegen verkrustete gesellschaftliche Traditionen handelt, gelang etwas Außergewöhnliches: als erster äthiopischer Film überhaupt, schaffte er es in den offiziellen Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Dort lief er im Mai dieses Jahres in der Sektion "Un Certain Regard". Wenig später schaffte er ins Programm des Toronto International Film Festival.
Zu Beginn mutet der Film lediglich wie ein exotischer, leichter Abenteuerfilm vor traumhaft-bildgewaltiger Kulisse an, aber schon bald zeigt sich, dass der Film mehr emotionales Drama ist als alles andere und in erster Linie vom Kampf eines kleinen Jungen handelt, seine Individualität zu bewahren. Zudem geht es darum, gegen die unzeitgemäßen Ansichten und Anschauungen eines in traditionellen Werten verhafteten Umfelds zu bestehen. Dabei macht vor allem der Onkel Ephraim, der zudem noch den Tod der Mutter verkraften muss, das Leben schwer. Dieser will aus dem hochemotionalen Jungen einen "echten Mann" machen, indem er ihn zur Feldarbeit zwingt und dessen Beziehung zu seinem Lamm zu unterbinden versucht.
Ephraim jedoch sitzt lieber gedankenverloren und singend in der Ecke und kocht außergewöhnliche, delikate Gerichte. Regisseur Zeleke erzählt auf schwelgerische, ruhige Art von einem Land und einer Umgebung zwischen Moderne und Tradition, zwischen Zukunft und Vergangenheit. In diesem Grenzgebiet zu bestehen ist eine enorme Herausforderung, gerade für einen Menschen, der noch nicht einmal das Teenager-Alter erreicht hat. Der Film bringt dem Zuschauer mit magischen Naturbildern auch ein bisher wenig bekanntes Land einschließlich dessen Bewohner näher. Da verzeiht man auch die aufdringliche Filmmusik sowie kitschige Einzelszenen und Dialoge ("Du solltest dem Tier die Freiheit schenken.").
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