Rara Chile 2015 – 88min.
Filmkritik
Zwei Töchter, zwei Mütter
Rara ist ein feinfühlig inszenierter Coming-of-Age-Film. Und darüber hinaus ein starkes Plädoyer für Toleranz.
Ob New York oder das chilenische Viña del Mar: Wenn Mädchen in die Pubertät kommen, dreht sich alles um die gleichen Themen. So auch bei Sara, die kurz vor ihrem 13. Geburtstag steht. Julian heisst ihr heimlicher Schwarm. Pancha die beste Freundin. Zuhause wird dann und wann gestritten. Geschmollt. Rebelliert. Sich versöhnt. Handys und Facebook sind wichtig. Die Haare gefühlte Stunden lang gekämmt. Mit Lippenstift experimentiert. Sich im Bad eingeschlossen. Der Rucksack gepackt und ausgerissen.
Ganz normale Erscheinungen der Adoleszenz also. Aber Viña del Mar ist eben nicht New York – so mahnt Saras Grossmutter bei einem Besuch die Mütter. Genau: Sara hat zwei davon, die leibliche namens Paula und deren Freundin Lia. Die jüngere Schwester namens Cata komplettiert die bürgerliche Patchwork-Familie.
Ein homosexuelles Paar zieht Kinder auf – das möchte man in unserer modernen Zeit als akzeptiert, nein, als normal verstehen. Dann aber würde dieser Film nicht «Rara» heissen, spanisch für eigenartig, seltsam. Er sieht sich leicht auf dem Fall der chilenischen Richterin Karen Atala abgestützt, der 2005 nach einem langen Rechtsstreit das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wurde.
Eine Zeichnung lässt die erste Dissonanz in diesem feinfühlig inszenierten Werk vernehmen. Cata hat darauf Sara und die beiden Mütter abgebildet. Was für die jüngere Tochter eine Selbstverständlichkeit darstellt, sieht die Schule als besprechungswürdig an. Sara dagegen hat bereits gelernt, das Spiel der Unauffälligkeit mitzuspielen. Ihre Mütter leben es vor, indem sie das Küssen in der Öffentlichkeit unterlassen. Sie fürchten dabei nicht die Diskriminierung in Form der Homophobie, sondern den Abspruch ihrer erzieherischen Kompetenzen.
Tatsächlich tritt bald der geschiedene Vater in die Erzählung ein. Er deutet die Launigkeiten Saras als Zeichen des falschen Umgangs, und geht vor Gericht, um das Sorgerecht einzufordern. Sein Behüterinstinkt ist mit Selbstinteresse angereichert – hier sinnt offensichtlich ein verletztes Ego auf Genugtuung.
Trotz seiner ernsten Prämisse ist der Debütfilm von Pepa San Martin jedoch keineswegs nur schwere Kost. An vielen Stellen vermag der Film mit feinem Humor zu erheitern und an die eigenen pubertären Launigkeiten zu erinnern. Durchwegs aus der Sicht von Sara erzählt, trägt sich hier im Grundsatz eine Coming-of-Age-Geschichte vor, die sehr bedachtsam ausgearbeitet wurde. Dank dem natürlichen Spiel der Besetzung – besonders lobend hat man die beiden jungen Laienschauspielerinnen Julia Lübbert und Emilia Ossandon zu erwähnen – ist dieser Film äusserst authentisch geraten. Das wiederum verstärkt die Sensibilisierung auf sein Kernthema.
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