Usfahrt Oerlike Schweiz 2015 – 94min.
Filmkritik
Gevatter Freitod, sanfter Freund
Hans Hilfiker hat lang genug gelebt, meint er jedenfalls selbst, und nach einigen in seinem Alter durchaus üblichen Schicksalsschlägen geht er zu Boden und wird angezählt. Sein bester Freund hilft ihm zwar wieder auf die Beine, aber der Schwung ist weg, das alte Leben auch, und so schmiedet Hilfiker lebensmüde Ausstiegspläne. Paul Riniker konnte mit Jörg Schneider und Mathias Gnädinger eine Adaption von Thomas Hostettlers Theaterstück "Exit" verfilmen, die aber nicht den Hauch einer Kontroverse dieses umstrittenen Weges zulässt.
Paul Riniker hat bei seiner Besetzung der eineinhalb Hauptrollen mit Jörg Schneider und Mathias Grädinger das Gewinnlos gezogen: Es spricht einiges dafür, dass sein Film zum Vermächtnis des todkranken Schneiders und des ebenfalls gesundheitlich schwer angeschlagenen Gnädingers wird. Das wäre eigentlich kein Schaden, wenn es nicht so traurig wäre, denn Schneider und Grnädinger sind gut, eher sogar besser als gut und sicher besser als ihre Rollen.
Und schneller als gewünscht ist man schon bei den Schattenseiten: Die dunkelste ist sicher das Drehbuch. Ein betagter, aber bis anhin rüstiger Hausbesitzer in Oerlikon verunfallt und kann fortan weder sein Haus betreten, weil die Eingangstreppe zum unüberwindlichen Hindernis avancierte, noch sein Haus nutzen, wenn er einmal drin ist, weil auch dort Treppen von einem Stock zum anderen führen - vermutlich auch in den Keller. Auch wenn ein Hausbesitzer in Oerlikon eigentlich das nötige Kleingeld besitzen müsste, um sich Geh- und Steighilfen montieren zu lassen, was einen ganz anderen Film ergäbe, ist es dramaturgisch praktisch, wenn dieser Stolperstein zum Anlass wird, sein Leben wegzuwerfen. Gründe hat dieser Herr Hilfiker gleich mehrere und auch noch einen weiteren, kleinen Anstoß. Und weitere liefert ihm das Drehbuch frei Haus. Bei der ganzen Geschäftigkeit bleibt leider die innere Entwicklung auf der Strecke oder - vielmehr - diese Entwicklung war bereits vor der ersten Szene des Films abgeschlossen und der lebensunmute Herr Hilfiker sucht nur nach einem Vorwand, um leise abzutreten. Das ist sehr schade, denn wir hätten gern ein Ringen um diese Entscheidung gesehen. Da hätte der Film etwas wagen können. Das Drehbuch sei von Thomas Hostettlers Theaterstück "Exit" inspiriert. Moment mal: Heißt es da wirklich "inspiriert"? Auf diese Idee wär man wohl als letztes gekommen, inspiriert sieht anders aus. Traurig macht den Kenner der drehörtlichen Verhältnisse, dass eine Fahrt vom Altersheim in Oerlikon zum Eigenheim in Oerlikon über die - zugegeben - konkurrenzlos fotogene Waidstraße mit einem fantastischen Blick über Zürich führt.
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Kommentare
Schade, dieser Film hat mich sehr enttäuscht. Auf Grund der Kritik bin ich ihn mir anschauen gegangen. Leider nur ansatzweise konnte er der Thematik gerecht werden. Viel zu viel wurde hinein gepackt.
Die eigentliche Geschichte kam viel zu kurz.
Warum musste man noch eine zweite Geschichte mit der Pflegerin und ihrem Sohn, der Probleme in der Schule mit der Job seiner Mutter hat (mit so einer fandenscheinigen Begründung sie sei eine "Füdlliputzerin"), in die Geschichte einbauen. Mit der der Sohn zu kämpfen hat. Resulat: Gib ihm ein Saxophon und alles ist gut!
Und so einfach wie man im Film zu der "tödlichen Dosis" gekommen ist, ist es im wahren Leben wohl wahrlich auch nicht!
Alles in allem gute Schauspieler, schlechte Umsetzung des Themas.
Dank den Schauspieler habe ich 2 Sterne geben, sonst wäre es nur einer geworden!… Mehr anzeigen
Lieber Denker2
Die Drehbuchautorin dieses Filmes ist meine Tante und ich kenne die Hintergründe dieses Filmes. Es geht hierbei um die Freiheit jedes Einzelnen Selbst entscheiden zu können und nicht darum dass alte Menschen keinen Wert hätten. Eine bestimmte Szene des Films hat meine Tante sogar ihrer Mutter gewidmet. Einer alten Frau.… Mehr anzeigen
Schauspielersich gesehen zwar sehr gelungen, aber von der Botschaft her katastrophal lebensverneinend und einseitig aus materialistischer Perspektive betrachtet. Eine spirituelle Sicht des Lebens wurde absichtlich unterschlagen! Es fand praktisch gar kein Diskurs über dieses wichtige Thema (Sinn des Lebens im Alter, Leben nach dem physischen „Tod“) statt, es blieb alles erschreckend oberflächlich; und husch, husch, schnelle „Endlösung“.
Der Regiseur Riniker sieht die Menschen offensichtlich nur noch als funktionierende Maschinen, die, wenn sie nicht mehr rentieren, sich noch gefälligst "selber zu entsorgen“ haben! -- Faschistoide Eugeniker könnten sich dabei auf die Schulter klopfen. Dass ein solcher Film mit der Aufforderung an die alten Leute, sich endlich selber umzubringen, noch Auszeichnungen erhält, zeigt auf, wie dekadent sich dieses Denken selbst in den „Eliten“ dieses Landes schon eingefressen hat.
Für alte Leute eine Zumutung; darum NICHT empfehlenswert!… Mehr anzeigen
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