Wie die anderen Österreich 2015 – 95min.

Filmkritik

Die seelischen Qualen der Jüngsten

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Mit Wie die anderen holt Regisseur Constantin Wulff ein schwieriges, aber wichtiges Thema aus der gesellschaftlichen Tabuzone: psychisch kranke Kinder und Teenager.

Wie die anderen rückt psychisch kranke Kinder und Jugendliche ins Zentrum und will für einen entspannteren, klischeefreien Umgang mit dem Thema in der Bevölkerung werben. Der Film verfolgt hautnah und ungeschönt das tägliche Treiben auf der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie im niederösterreichischen Landesklinikum in Tulln. Hier versuchen junge Patienten mit schweren psychischen Krankheiten wie Schizophrenie, Depressionen oder Autismus wieder zurück ins Leben und einen besseren Umgang mit ihrer Erkrankung zu finden.

Wie die anderen ist ein echtes Langzeitprojekt. Regisseur Constantin Wulff bereitete den Film etwa drei Jahre lang vor, die Drehzeit selber belief sich auf rund anderthalb Jahre. In dieser Zeit begleitete er das Team und die Patienten der Klinik in Tulln nahe Wien. Sehr aufwendig und langwierig war es, allein die Genehmigungen der porträtierten Patienten und vor allem – bei Minderjährigen – die der Eltern einzuholen, um die kranken Kinder im Film zeigen zu können. Der Film lief auf einigen Dokumentarfilm-Festivals, wie z.B. der DOK Leipzig.

Ganz in der Tradition des "Direct Cinema" treten Kamera und Regisseur hier als neutrale, beobachtende Elemente auf. Eine Einflussnahme von Außen erfolgt nicht, es handelt sich quasi um abgefilmtes "reales Leben". Filmemacher und Kamera sollen unsichtbar erscheinen. Dadurch gewährt Wie die anderen einen nachdrücklichen, ehrlichen und umfassenden Einblick in den Klinik-Alltag einer psychiatrischen Abteilung, mit allem was dazugehört: Besprechungen der Ärzte, Eltern-Gespräche, medizinische Untersuchungen der Patienten und Einblicke in therapeutische Angebote wie Ergo- und Psychotherapie.

Das alles verschafft einen authentischen Blick in diese für viele gesunde Menschen oft fremde, für die Kinder und Jugendlichen aber so wichtige Welt aus Gesprächen, Therapien und medikamentöser Unterstützung, um Rettung aus ihrem düsteren seelischen Tief zu erfahren. Regisseur Wulff beschönigt nichts und zeigt ein umfangreiches Spektrum der psychischen Krankheiten. Im Film ist z.B. ein autistischer Junge zu sehen, an den die Therapeuten nur schwer rankommen oder ein Jugendlicher, der unter einer verzerrten Selbstwahrnehmung und einem sich selbst auferlegten, extremen Leistungsdruck leidet. An die Nieren geht vor allem auch der Fall eines stark Suizid-gefährdeten weiblichen Teenagers, deren Arme mit tiefen Narben übersät sind. Wenn sie sich nicht schneidet, betrinkt sie sich, um den seelischen Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. Wie die anderen ist ein wichtiger und mutiger Film. Der Respekt ist den jungen Patienten sicher, die im Film auftreten und den Erkrankungen ein Gesicht geben.

17.02.2024

4

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Kommentare

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Toenggi

vor 8 Jahren

Eindrücklicher Film ohne grossen Worte. Hinter den Kulissen im Klinikum der Kinderpsychiatrie, die Therapien sind sehr akademisch mit vielen Fragezeichen, hat mich sehr berührt und auch etwas traurig gestimmt, wie hilflos z. T, die gesamte Psychiatrie-Crewwirktet. Der personelle Aufwand ist enorm. Die Supervisionen im Arbeitsteam waren echt gut und konfliktreich. Ein grosse Fragezeichen besteht bei der Medikation. Im Klinikum vermisse ich die Farben die doch auch zu einer Genesung beitragen würde. Dieser Film ist jeder Person zu empfehlen die im Gesundheitswesen- oder Psychiatrie tätig ist.
TonyMehr anzeigen


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