Einfach Leben Schweiz 2016 – 90min.
Filmkritik
Am Rand und doch in der Mitte der Gesellschaft
In einem Tal im Tessin haben Deutschschweizer eine Genossenschaft errichtet. Sie zelebrieren die Einfachheit des Lebens abseits der Zivilisation, ohne die Augen vor der Realität zu verschliessen.
Pianted heisst der Ort im Val Lavizzara, wo Ulrich Stadelmann, der sich nun Ulrico Stamani nennt, die Genossenschaft Pianta Monda gegründet hat. Egal, ob die Sonne die Terrassen bescheint oder der Schnee vom Weg geschaufelt wird, egal, ob es nun gerade die Hühner, die Ziegen oder die Pferde sind, die versorgt werden müssen; die Kooperative baut auf wenig Technologie, Umweltbewusstsein und den Gedanken daran, was die Zukunft bringen könnte.
Denn wer weiss heute schon, ob es nicht in nächster Zukunft sein könnte, dass man sich selbst ernähren muss? Wenn die Regale im Einkaufsladen leer, die Ressourcen aufgebraucht sind. "Wir haben hier die Möglichkeit, zukünftigen Generationen etwas mitzugeben und beizubringen", sind sich Ulrico und Sanna, die eigentlich Susanna heisst, sicher. Während sie im Outdoor-Ofen Apfelkuchen backt, ist Ulrico für körperliche Arbeiten zuständig; trotz seines fortgeschrittenen Alters. Pausen brauche er fast keine mehr, beteuert der weisshaarige ehemalige Lehrer. "Auch wenn die Arbeit streng ist, wir können hier in unserem Tempo arbeiten." Und keine Schulglocke sagt ihm und seinen Schülern, wann es Zeit ist, aufzuhören.
Zur Unterstützung holt sich das Paar jeweils Mitarbeitende für das Projekt. Junge, kräftige Männer, einige etwas hippiehaft, andere auf Abenteuersuche, oder junge Frauen, die beim Ziegenmelken vom Innenhof ihrer Basler Stadtwohnung erzählen. Dazwischen auch mal eine Schulklasse, aufgedrehte Kinder, die beim Sägen von Holzscheiten aufgehen und dann mit roten Backen und breitem Grinsen den Hof verlassen.
Jeder, der mithilft, ist willkommen in Pianted. Es wird aber einiges abverlangt; für einige gar zu viel. Die erfahrene Landwirtin Kathrin, die sich von der Arbeit eingeengt fühlt, verlässt denn auch den Hof; eine Enttäuschung für Ulrico und Sanna, aber eben der Lauf der Dinge.
Filmemacher Hans Haldimann war früher selbst Lehrer. Durch eine ehemalige Schülerin stiess er auf die Genossenschaft im Val Lavizzara. Neben eindrücklichen Bildern der Tessiner Wildnis ist es ihm vor allem gelungen, die Eigenheiten der Figuren einzufangen; die Kompromisslosigkeit von Kathrin, die Bedächtigkeit von Sanna, die Gutmütigkeit von Ulrico. Und so viel mehr: Im Kinosaal herrscht heitere Stimmung, denn die Leute, die sich bei ihrer Arbeit filmen lassen, strotzen vor Einfachheit, Triefen vor Demut vor der Umwelt und harter Arbeit. Hier ist sogar das Waschmittel öko, Steckdosen gibt es keine, und das bewusst.
Das Urteil bleibt schliesslich dem Zuschauer überlassen; ist das hinterwäldlerisch oder bewundernswert? Sollten mehr Leute so leben, oder lieber gar keine? Mit der örtlichen Bevölkerung herrscht kaum Austausch, weiss Haldimann; doch um einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, muss man vielleicht gar nicht unbedingt in ihrer Mitte angesiedelt sein.
Flavia Bonanomi
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Kommentare
Ein Film der nicht Kinowürdig ist. Im TV hätte ich weitergezapt. Eine Pseudoaussteigerkomune die Leistungen und Finanzierung von der "Aussenwelt" bezieht, Mailings verschickt und von einem Ehepaar hirarchisch geführt wird.
Die Einzige für mich glaubwürdige und echt wirkende Person war Katrin.
Ansonsten ein Werbefilm für die Komune... enttäuschend ...… Mehr anzeigen
Auesserst feinfühliger Film, der neben dem Thema der Selbstversorgung die Mitglieder der Gemeinschaft präzis, mit Einfühlungsvermögen aber auch der notwendigen Distanz portraitiert. Nicht nur die Natur ist ein Thema, auch zwischenmenschliche Beziehungen die nicht nur in abgeschlossenen Gemeinschaften lebenslang ein Thema sind. Sehenswert!… Mehr anzeigen
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