La fille inconnue Belgien, Frankreich 2016 – 113min.
Filmkritik
La fille inconnue
Natürlich präsentierten die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne auch 2016 ihren neuen Film La fille inconnue im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes, wo sie seit 20 Jahren Stammgast sind. Doch dort, wo sie bereits zweimal die Goldene Palme mit nach Hause nehmen durften (für Rosetta und L'Enfant) und auch sonst eigentlich immer mit Preisen bedacht wurden (Le silence de Lorna etwa gewann den Drehbuchpreis, Le gamin au vélo den Grand Prix), wurden die beiden Belgier so zurückhaltend empfangen wie nie. Am Ende des Festivals standen die beiden nicht nur mit leeren Händen da, sondern erstmals in ihrer Karriere auch vor ziemlich durchwachsenen Kritiken.
Im Zentrum ihres zehnten Films steht die Ärztin Jenny Davin (Adèle Haenel), die im Begriff steht, die von ihr geführte Praxis aufzugeben und einen neuen, gut bezahlten Job anzunehmen. Stets hat sie sich mit Mitgefühl, aber emotional überaus kontrolliert um jeden gekümmert, der in ihrem Wartezimmer saß, von Arbeitern über Kinder bis hin zu Sozialfällen ohne Versicherung. Doch als sie eines Abends nach Feierabend nicht auf das Klingeln an der Praxistür reagiert, ist es wenig später plötzlich um ihre Fassung geschehen. Die Unbekannte, die da vor ihrer Tür gestanden hatte, wird tot aufgefunden. Jenny macht sich Vorwürfe – und will um jeden Preis herausfinden, was geschehen ist.
Nach der nicht gerade glücklichen Cannes-Premiere haben die Dardennes La fille inconnue noch einmal umgeschnitten und um sieben Minuten gekürzt. Das hat, so hört man, den Film tatsächlich verbessert (der Verfasser dieser Zeilen hatte leider keine Gelegenheit, die neue Version zu sehen). Doch dass die Brüder damit dem eigentlichen Problem Herr wurden, ist kaum vorstellbar. Denn dass der Film – eine von minimalistischen Thriller-Elementen durchzogene Abhandlung über Schuld, Verantwortung und Mitgefühl – nicht recht überzeugen mag, ist keine Sache von ein paar Minuten.
Der etwas spröde Realismus nämlich, dem die Dardennes visuell auch dieses Mal treu bleiben, findet erstmals im Drehbuch nur bedingt Entsprechung. Noch viel mehr als im Vorgänger Deux jours, une nuit wirkt der Plot wie eine arg bemühte Versuchsanordnung, ein seltsam unglaubwürdiges Konstrukt, das verhindert, dass einem die Geschichte so nahe geht wie es bei den Belgiern sonst der Fall ist. Und nicht einmal eine groß aufspielende Adèle Haenel kann verhindern, dass man das Verhalten ihrer Figur mehrfach nur mit viel gutem Willen nachvollziehen kann.
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Kommentare
Ein durchaus sehenswerter Film mit unverbrauchten, authentischen Schauspielern. Lässt trotz des linearen Handlungsstrangs und der Absenz von Spezialeffekten keine Langeweile aufkommen...
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