Filmkritik
Beziehung ohne Worte
Zelt, Matratze, Decke, Plane, Schale, Flasche: Aus diesen wenigen Elementen bauen sich die Protagonisten in Dane Komljens Erstling Svi severni gradovi (All the Cities of the North) ihre eigene abgeschiedene Welt. Zwei Männer, einer älter (Boris Isaković), einer jünger (Boban Kaludjer), deren Beziehung keinem Namen zuzuschreiben ist, wohnen auf engstem Raum in einem verlassenen Gebäude im ehemaligen Jugoslawien, mitten im Nichts. Als ein dritter Mann, vom Regisseur selbst gespielt, sich den zwei Einsiedlern wortlos anschliesst, entsteht ein Ungleichgewicht in deren zerbrechlicher Gemeinschaft.
Es ist eine Gegend ohne Hoffnung oder Trost, wie es sie überall auf der Welt gibt. In diesen Überbleibseln kommunistischer Architektur spiegelt der Film utopische Bauprojekte in Brasilia und Lagos, welche, genau wie hier, das Versprechen über eine strahlende wirtschaftliche Zukunft nie einhalten konnten: "die neue Wirtschaft kam nie, die Gebäude warteten". Ähnlich ergeht es den Figuren. Von der Welt abgeschottet, verbringen sie ihre Tage mit dem Auf-, Ab- und Weiterbauen ihres Wohnortes, mit alltäglicher Routine in einer ausufernden Natur zwischen Eseln, Hunden und seelenlosen Gebäuden.
Geredet wird nicht, Austausch entsteht über Blicke, Gesten und wortlose Komplizität. Gesprochene Texte von Godard, Simone Weil und serbische Poesie erklingen bloss als Off-Kommentare zu den hellfarbenen Bildern, welche immer wieder von orangeroten Objekten punktiert werden. Die aussergewöhnlich zarte Annäherung an seine Figuren sowie eine permanent durchschimmernde sexuelle Spannung zwischen den Protagonisten machen den Film zu einem poetischen Kraftakt.
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