Au revoir là-haut Frankreich 2017 – 115min.

Filmkritik

Schicksale, geschmiedet im Schützengraben

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Albert Dupontel hat den gleichnamigen Roman von Pierre Lemaitre in eine burlesk-tragische Filmkomödie verwandelt.

Edouard Péricourt hat im Winter 1918 einen einzigen Wunsch: Er will nie wieder nach Hause. Dies zum einen, weil er im letzten Gefecht seinem Kameraden Albert Maillard zwar das Leben rettete, seinerseits aber im Gesicht schwer verletzt wurde; zum anderen hat er sich – sensibel, homosexuell und künstlerisch talentiert – mit seinem Vater schon vor dem Krieg nie gut verstanden. Maillard fühlt sich Péricourt verpflichtet. Er lässt diesen von den Listen der Überlebenden verschwinden und zieht mit ihm in eine Mansarde in Paris. Derweil Maillard diversen Hilfsjobs nachgeht, fertigt Péricourt für sich Masken an und entwirft einen Katalog voller Heldendenkmäler, welche die beiden mittels raffinierten Tricks Gutgläubigen unterzujubeln versuchen…

Doch Au revoir là-haut beginnt anders. Mit der Verhaftung Albert Maillards zwei Jahre später in Marokko. Während Maillards Einvernahme blendet der Film zurück auf den 9. November 1918, an dem ein Leutnant namens Pradelle nach Eintreten des Waffenstillstands mutwillig das für Péricourt und Maillard fatale, letzte Gefecht vom Zaun bricht. So wie die beiden trifft man auch Pradelle nach dem Krieg in Paris. Er handelt mit Särgen, nimmt Exhumierungen und Verlegungen vor und verdient sich dabei mit nicht immer sauberen Methoden eine goldene Nase: Zugrunde liegt Albert Dupontels siebter Arbeit als Regisseur ein preisgekrönter historischer Roman von Pierre Lemaitre. Derweil die Geschichte um Péricourt und Maillard frei erfunden ist, greift die Episode um Pradelle einen Skandal auf, der nach dem Ersten Weltkrieg ganz Frankreich erschütterte.

Albert Dupontel hat die Handlung von Lemaitres Romans geschickt verdichtet und mit ausgesprochenem Flair für die Burleske und feinem Gefühl für Komik auf Leinwand gepackt. Dabei erinnern die zum Teil makabren Kriegsszenen und Grabaushebungen so unvermittelt an Caros und Jeunets La cité des enfants perdus, wie die Episoden um Péricourt und seine Masken Assoziationen an Gaston Leroux‘ Phantom der Oper erwecken. Im Tonfall selbst in düsteren Momenten von stiller Heiterkeit, kennzeichnet Au revoir là-haut eine grundsätzlich grosse Liebe zu seinen Figuren, auch wenn diese alles andere als immer sympathisch mit oft zwiespältigen Methoden um ihr Überleben kämpfen. Mit Dupontel, Nahuel Pérez Biscayart, Laurent Lafitte hochkarätig besetzt, ist Au revoir là-haut eine spannende und emotional mitreissende, grossartige tragische Komödie.

03.04.2024

5

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Kommentare

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Barbarum

vor 5 Jahren

Im Unterschied zu vielen anderen Filmen wagt "Au revoir là-haut" etwas und vermischt in anerkennenswerter Manier ernsthafte Themen mit surrealistischer Leichtigkeit.


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