Der junge Karl Marx Belgien, Frankreich, Deutschland 2017 – 117min.

Filmkritik

Sturm und Drang der Kommunisten-Väter

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ihre Ideen entfachten einen globalen Flächenbrand – aus heutiger Perspektive zumindest. Vor 170 Jahre fanden sich die beiden aufrührerischen Geister, die den Kommunismus begründeten, Karl Marx und Friedrich Engels. Der Bildungsfilm «Der junge Karl Marx» des Filmautors Raoul Peck schildert die Geschichte einer Freundschaft und den Beginn einer Revolution – ästhetisch solide



Wie bringt man epochale Geister wie Karl Marx und Friedrich Engels, ihre Ideen und Ambitionen auf die Leinwand? Wie erklärt man einem jungen, breiten Publikum die revolutionären Aktivitäten der Erfinder des Kommunismus? Raoul Peck, der zusammen mit Pascal Bonitzer das Drehbuch erarbeitete, taucht in die englische Arbeitswelt Mitte des 19. Jahrhunderts. Frauen schuften, haben wenig Rechte, sind schutzlos wie ihrer Kollegen, müssen die Knute ihrer männlichen Vorgesetzten wie der Besitzer ertragen. Das will der junge Friedrich Engels (Stefan Konarske), betuchter Sohn eines Fabrikbesitzers, nicht länger mit ansehen und verfasst eine Schrift über die Verelendung des englischen Proletariats. Er geht um 1844 nach Paris und begegnet dort den Bruder im Geiste, Karl Marx (August Diehl), ehemals Journalist in Köln, der 1842 an die Seine emigrierte. Man säuft und lacht zusammen, fetzt und findet sich. Private Verpflichtungen und Verflechtungen, ideologische Kontroversen und politische Auseinandersetzungen wechseln sich ab. Marx' Frau Jenny (Vicky Krieps) ist die dritte im Bunde. Engels greift dem notorisch verschuldeten Marx wiederholt unter die Arme. Abermals auf der Flucht vor politischer Verfolgung finden die beiden in London im «Bund der Gerechten» eine Art politische Heimat. Die beiden Vordenker verfassen das «Manifest der Kommunistischen Partei», das in die Geschichte eingeht – die Geburtsstunde der KP. Werk («Das Kapital» etc.) und Wirken der beiden Sozialrevolutionäre sind dann kein Thema mehr für den Spielfilm des aus Haiti stammenden Regisseurs Raoul Peck.

Peck verzichtete, wenn es ging, auf allzu theoretische Erläuterungen. Er zeigt den ungestümen Theoretiker Marx, den bürgerlichen Revolutionär Engels und eine schier unerschütterliche Jenny, die den beiden zur Seite steht. Es sind Szenen aus dem Londoner Arbeitermilieu, die Debatten in Pariser Kneipen und Positionskämpfe mit anderen Genossen, die beeindrucken. Der altbekannte Bart des Manifest-Vaters verdecke nicht nur das Gesicht von Marx, ist Peck überzeugt. «Im Jahr 2017 verdunkelt er die Möglichkeit einer bedachten Reflexion und Auseinandersetzung und verhindert dabei, den tatsächlichen Beitrag dieses wissenschaftlichen und politischen Denkers zu entdecken, seine aussergewöhnliche Kraft der Analyse, seine humanistischen Bestrebungen, seine berechtigten Sorgen über die Verteilung des Wohlstands, die Kinderarbeit, die Gleichstellung der Geschlechter, die Ausdehnung der Märkte, die Globalisierung usw. »

Also Themen von höchster Aktualität, in Europa und anderswo. Dem Historienfilm sind Stimmigkeit und Spannung nicht abzusprechen, doch wird man den Eindruck nicht los, als wolle Peck den Gewohnheiten eines Fernsehpublikums gerecht werden, das an illustre Mehrteiler über Industriedynastien, historische Stoffe und Ereignisse (Gotthardtunnelbau) gewohnt ist. Konventionell, schlüssig, wenn auch geschönt erzählt, solide gespielt. Ein Bildungslehrstück, bequem zu konsumieren, das sich als «Illustrierter Klassiker» fürs Kino entpuppt.

20.02.2024

3

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Kommentare

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Patrick

vor 5 Jahren

Schöne Kostüme und ein solider Darsteller-Cast.Aber es ist zu Steif und zu Dialoglastig verfilmt und dadurch wirkt der Film ziemlich ermüdend.


Deg89

vor 7 Jahren

Ein Lehrfilm über die revolutionäre Arbeiterbewegung, der zum einen interessante Geschehnisse zeigt, jedoch an vielen stellen nur an die Oberfläche kratzt. So bietet "Der junge Karl Marx" eine solide gefilmte Grundkenntnis, ein Geschichtsbuch sollte allerdings mehr Wissen zu den Figuren geben können.Mehr anzeigen


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