Human Flow Deutschland, USA 2017 – 140min.
Filmkritik
Flüchtlingsströme – zwischen Hoffnung und Elend
Er ist weltweit als Konzeptkünstler bekannt, der Chinese Ai Weiwei. Für Human Flow hat er sich nun auf die Spuren von Flüchtlingen in 23 Ländern begeben – von Afghanistan über Nahost und Afrika bis in die Schweiz und Türkei. Ein bewegendes Filmdokument und Plädoyer für Solidarität, Menschlichkeit und Menschenrechte, aber auch über Grenzschliessungen und Abschottungen.
Das Meer scheint unendlich – ist Hoffnung und Schlund zugleich. In Nussschalen und maroden Schiffen suchen Menschen Sicherheit, ein besseres Leben. Für viele wird das Meer zwischen Afrika und Europa zum Friedhof ihrer Träume. In Schlauchbooten werden Kinder als auch Erwachsene aufgegriffen und von Küstenwachen und Hilfsorganisationen an Bord gehievt – in Sicherheit. Sie sind mit dem Leben davon gekommen, doch dann beginnt für viele eine Odyssee durch Auffanglager, Zelten, Behausungen, fremden Menschen und Ländern ausgeliefert.
65 Millionen Menschen sind auf der Flucht, die grösste Völkerwanderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Konzeptkünstler aus Peking mit Wohnsitz in Berlin, Ai Weiwei, hat sich auf eine Reise entlang der Flüchtlings- und Menschenströme («Human Flow») begeben – über ein Jahr lang mit 25 Filmteams in 23 Ländern. Wir erleben, wie Schlauchboote mit Frauen, Kindern und Männern aufgebracht, Menschen in Italien und Griechenland (Lesbos) versorgt werden – vorerst in Sicherheit, doch ihre Zukunft ist ungewiss, oft trostlos.
Als Ai Weiwei während eines Ferienaufenthalts 2015 auf Lesbos selber Zeuge einer Landung von Flüchtlingen wurde, hat ihn diese globale Problematik nicht mehr losgelassen. Seine Filmteams waren Syrien, Palästina oder Jordanien ebenso vor Ort wie in der östlichen Türkei oder im Libanon, aber auch in Afghanistan, Kenia, Pakistan oder Irak. Der Film dokumentiert die Grenzsituationen in Mexiko oder Ungarn, die «Flüchtlingsverarbeitung» in Thailand, in Deutschland oder der Schweiz. Ai Weiwei, der auch mitproduzierte und teilweise die Kamera betätigte, plädiert mit seinem Film für Menschlichkeit und Menschenwürde.
«In dieser Zeit der Unsicherheit brauchen wir mehr Toleranz, Mitgefühl und gegenseitiges Vertrauen, weil wir alle eins sind. Wenn wir das nicht erkennen, wird sich die Menschheit einer noch grösseren Krise gegenübersehen.» Eine persönliche Reise mit globalem Gewicht. Sein Film entwirft ein umfassendes Panorama der Flüchtlingsproblematik auch aufgrund von Einzelschicksalen, spart weder das seelische noch das physische Elend aus, die Hoffnungslosigkeit, die Schutzlosigkeit und Radikalisierung beispielsweise in Palästina oder Myanmar. Das freilich in teilweise faszinierenden Bildern etwa aus der Drohnenperspektive – gleichwohl bildgewaltig und erschütternd.
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