L'amant double Frankreich 2017 – 110min.

Filmkritik

Zweifelhafte Zwillinge, trügerische Spiegelungen

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine Frau zwischen zwei Männern: Chloé verliebt sich in ihren eigenen Psychotherapeuten und dessen Zwillingsbruder. François Ozon (Frantz) entwirft ein erotisches Vexierspiel, in dem Visionen und Wirklichkeiten verschmelzen und sich spiegeln. Ein trügerischer Psychothriller – sinnlich und rätselhaft.

Ein weit geöffnetes Auge, eine gespreizte Vagina. Mit diesen Anfangsbildern konfrontiert Regisseur François Ozon den Zuschauer. Er annonciert mit dieser Sequenz zwei Aspekte seines Psychothrillers: Vision und Leidenschaft. Anders gesagt: Das Äussere und das Innere. Chloé (Marine Vacth), eine alleinstehende junge Frau, hat dubiose Unterleibsschmerzen, denen ihre Ärztin nicht beikommt. Was rumort in ihrem Inneren? Chloé sucht Heil bei einem Psychotherapeuten, dem sanftmütigen Paul (Jérémie Renier), der entgegen allen Therapeutengesetzen ein Tabu bricht und mit seiner Patientin ein Liebesverhältnis beginnt. Man zieht zusammen, liebt sich, doch ihre Beschwerden bleiben.

Zufällig kommt sie einem von Pauls Geheimnissen auf die Spur: Er hat einen Doppelgänger, wohl sein Zwillingsbruder Louis (Renier), ebenfalls Psychotherapeut. Sie sucht dessen Nähe und verfällt dem arroganten, hemmungslosen Macho. Bei Louis lebt sie ihre geheimen Lüste aus, findet sexuelle Erfüllung. Sie fühlt sich hin- und hergerissen zwischen dem sanften, guten Partner und dem hemmungslosen, bösen Liebhaber. Ist der eine das negative Spiegelbild des anderen, der andere Vision und Spiegelung innerer Triebe? Wunsch und Wirklichkeit einer zerrissenen Frau? Chloé verliert Halt und Orientierung, erst recht, als sie der ihrer Mutter aufs Haar gleichenden Madame Schenker (Jacqueline Bisset) begegnet, die ein Mädchen im Koma pflegt – und für dessen Zustand die «Zwillinge» zuständig sein sollen.

Mit seinem erotischen Psychothriller um Zwillinge oder Trugbilder, Verdoppelung, Verzerrungen und Spiegelungen verführt der Pariser François Ozon seine Protagonistin wie auch die Zuschauer. Man verliert den Durchblick: Was ist wahr, was Wahn? Ozon spielt auf der Klaviatur der Begierden, Sehnsüchte und Träume. Er hat seinen Film nach dem Roman «Lives of the Twins (Der Andere)» von Joyce Carol Oates konzipiert – mit einer faszinierenden Marine Vacth als Chloé, deren Modelqualitäten unübersehbar sind. Ozons Erotikthriller wird zum Mysterium, zum faszinierenden Rätsel. Da hilft am Ende auch die medizinische Lösung der «parasitären Zwillinge» (ein Zwilling «lebt», bildet sich gliedweise im anderen) wenig. Der Zuschauer bleibt sich und seinen Fantasien selbst überlassen.

03.04.2024

5

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Kommentare

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Berufsromantiker

vor 6 Jahren

Sehr gute Schauspielkunst, eine wunderschöne Hauptdarstellerin, interessante medizinische Aspekte, aber den Sinn und den Schluss habe ich nicht verstanden. Das war mir leider zu komplex - verspiegelt...


mfy

vor 6 Jahren

Es scheint, als ziehe François Ozon in diesem Film alle Register: Der Trailer lässt einen erotischen Film vermuten, was tatsächlich der Fall ist, aber nicht nur! Schnell hat man das Gefühl, man befinde sich in einem "Fifity Shades of Gray", dann wieder in einem Psychothriller à la Hitchcock, noch später mutiert der Film zu einem Horrorstreifen, wie "Rosemaries Baby" von Roman Polanski. Manchmal erinnerte er mich auch an "Black Swan". Ozon ist ohne Zweifel ein höchst professioneller Regisseur, der die Schauspieler und die filmtechnischen, aber auch die dramaturigischen Mittel gekonnt einsetzt, um den Zuschauer stets im Ungewissen zu lassen und damit die Spannung zu erhalten und sogar bis zum Schluss noch zu erhöhen. Auch die Schauspieler bieten Höchstleistungen. Ozon provoziert in vielen Bereichen vom Anfang bis zum Schluss teilweise mit Erotik, Brutalität und Nervengekitzel, zuweilen auch mit obszönen Szenen bspw. gleich zu Beginn. Ein durchaus sehenswerter Film, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob das Drehbuch in sich wirklich schlüssig ist, denn viele Fragen bleiben offen. Wenn das die Absicht des Regisseurs war, dann funktioniert der Film. Für mich jedoch bleibt ein Nachgeschmack der Unzufriedenheit, den ich nicht loswerde. Vielleicht weil ich die Story, wie viele andere auch, nicht ganz begriffen habe. Trotzdem ist dieser Film ein absolut sehenswerter, einer der Hollywood, wie oft bei französischen Produktionen, allemal die Stirn bieten kann!Mehr anzeigen


louis

vor 7 Jahren

Wer nicht wissen möchte, wie der Film endet, sollte jetzt nicht weiterlesen!

Sehr interessanter Film. Ist meine Annahme richtig, dass Chloe's Freund gar keinen Bruder hatte und Sandra Schenker ebenfalls nicht existierte und der imaginäre "Zwillingsbruder" nur ein Symbol für den Zwilling in Chloe's Bauch war? Dafür spricht meiner Meinung nach auch die Tatsache, dass Sandras Mutter auch die Mutter von Chloe spielte ("Sandra Schenker"=Zwilling in Chloe's Bauch).Mehr anzeigen


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