Nothingwood Frankreich, Deutschland 2016 – 85min.

Filmkritik

One-Man-Show im afghanischen Hinterland

Julian Gerber
Filmkritik: Julian Gerber

Er führt Regie, steht vor der Kamera und treibt die Schauspieler zu – zugeben bescheidenen – Höchstleistungen an. Die Rede ist vom afghanischen Filmemacher und Exzentriker Salim Shaheen, den die französische Journalistin Sonia Kronlund im Rahmen ihrer Dokumentation Nothingwood durch filmisches Niemandsland begleitet hat.

In einem vom Krieg geprägten Land geht Salim Shaheen unbeirrt seiner Berufung nach und dreht einen Film nach dem anderen. Manchmal sind es auch mehrere Filme miteinander, wie zum Beispiel deren vier, als ihn die französische Journalistin Sonia Kronlund in seiner Heimat Afghanistan besucht. Dort ist der wohlbeleibte Filmemacher ein gefeierter Held, dessen Filme bei Vorführungen frenetisch beklatscht werden. Dabei stehen dem Selfmademan, der weder schreiben noch lesen kann, quasi keine Mittel zur Verfügung: Nothingwood eben. Doch es ist die unbedingte Leidenschaft fürs Kino, die Shaheen schon von klein auf antrieb und für die er damals noch Prügel und Spott einstecken musste. Das Werk des umtriebigen Regisseurs und Selbstdarstellers umfasst mittlerweile über 110 Filme: Z-Movies von niedrigster Qualität mit einem Hauch Bollywood-Flair, die oftmals auch Shaheen selbst im Mittelpunkt des Geschehens zeigen.

Man kann sich vorstellen, dass Shaheen von der Idee, über ihn eine Dokumentation zu drehen, wohl selbst am meisten begeistert war. Der Exzentriker versucht dann im Film auch immer wieder, das Ruder an sich zu reissen, während Journalistin Sonia Kronlund, die im Film vor der Kamera auftritt, sich zuerst Respekt verschaffen muss – und das als Frau in einer männerdominierten Gesellschaft. Allein schon diese Konstellation ist extrem reizvoll, da Shaheen sich in Selbstinszenierung übt, während Kronlund versucht, Oberwasser zu behalten.

Nothingwood gewährt uns Einblick in eine Welt fernab von westlicher Zivilisation, in welcher Krieg seit Jahrzehnten einen traurigen Teil des Alltags darstellt. Wenn Shaheen am Set mit einer Kalaschnikow herumhantiert oder die Filmcrew mal eben ohne Umschweife Minengebiet betritt, zeigt sich das andere Selbstverständnis von Krieg, welches in dieser Kultur vorherrscht. Doch trotz des andauernden Konflikts überwiegen im Film jedoch die herrlich komischen, zum Teil ans Absurde grenzenden Szenen: Frauen, die von Männern gespielt werden; "Kunstblut", das von einem Huhn aus dem nächstgelegenen Dorf stammt oder Shaheen, der beim Dreh voller Inbrunst vortanzt. Man lacht mit dem afghanischen Regisseur, lacht vielleicht manchmal über ihn, aber bringt auch Bewunderung auf für dessen unbändige Leidenschaft in einem Land, in dem alle Vorzeichen dagegen sprechen.

23.05.2018

5

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