Nos batailles Belgien, Frankreich 2018 – 98min.

Filmkritik

…und das Leben geht trotz allem weiter

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Ein Mann steht nach dem mysteriösen Verschwinden seiner Frau mit seinen zwei Kindern plötzlich alleine da. Kein Thriller, sondern ein Drama aus Sicht der Verlassenen.

Olivier Vallet – Anfang vierzig, verheiratet, zweifacher Vater, leitender Angestellter in einem Grossverteiler, Gewerkschafter – steht mit beiden Beinen im Leben. Er kümmert sich sehr ums Wohl der ihm unterstellten Mitarbeiter und fühlt sich denn auch persönlich schuldig, als man dem Langsamsten seines Teams kündigt und dieser sich das Leben nimmt.

Doch es ist nicht das Einzige, das Olivier aus der Bahn wirft: Eines Tages ist seine Frau Laura spurlos verschwunden. Kann sein, dass Olivier sich jüngst zu wenig um seine Familie kümmerte. Auf alle Fälle hat er es nicht kommen sehen, und weil es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gibt, kann er Laura nicht polizeilich suchen lassen.

Das klingt nach Krimi oder Thriller, Guillaume Senzes zweiter Spielfilm aber ist keines von beidem. Der Franko-Belgier hat schon mit seinem Erstling Keeper – im Zentrum ein fussballversessenen Teenager, der unverhofft Vater wird – einen zwischen Sozial- und Familiendrama changierenden Film vorgestellt. Als just solcher – und in gewisser Weise auch als dessen Fortsetzung – entpuppt sich nun Nos batailles; wie ebenda steht auch hier die Frage im Zentrum, wie sich ein Mann in eine Familie einfügt und seine damit einhergehenden Verantwortlichkeiten wahrnimmt.

Das sind zeitgemäss faszinierende Ansätze, doch ein bisschen fehlt Senez der Fokus. Mal schildert er Oliviers Versuche, Laura aufzuspüren, dann seine Überforderung, Kinder, Job und Haushalt unter einen Hut zu bringen. Ab und an greift Oliviers Mutter helfend ein. Irgendwann taucht Oliviers Schwester Betty auf, die als freie Künstlerin ein Vagantenleben führt, gleichwohl aber nur ein paar Wochen als Ersatzmami einspringt, auch wenn die Kinder und Olivier das anders wünschen.

Nos batailles ist oft unmittelbar berührend und punktet durch Realitätsnähe: Das Leben ist selbst in ungewohnten Situation meistens nicht spannend wie ein Krimi. Romain Duris spielt Olivier emotional breit mit überzeugender Natürlichkeit, auch Basile Grunberger und Lena Girard Voss, beide das erste Mal vor der Kamera, spielen glaubwürdig die durch das Verschwinden der Mutter verunsicherten und ewig auf ihre Rückkehr hoffenden Kinder, wie immer sehr markant-warmherzig ist Laetita Dorsch als Betty. Ein nicht ganz ausgegorener, aber oft berührender, in seinen ungewöhnlichen Ansätzen auch starker Film.

05.06.2024

4

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Kommentare

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slasla_9

vor 5 Jahren

Toller film :)


Fred von Bern

vor 5 Jahren

Für mich ein sehr interessanter, aber auch berührender Film ohne aber kitschig zu sein. In einzelnen Kritiken wurde erwähnt, dass die Seite der Frau, die die Familie verlässt, nicht gezeigt wurde. Mich hat das nicht gestört. Denke, vielleicht wäre die ganze Geschichte dadurch "überladen" worden.Mehr anzeigen


selinaburri

vor 5 Jahren

Berührend, authentisch, zeigt ein echtes Frankreich, humorvoll, menschlich!


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