Tel Aviv on Fire Belgien, Frankreich, Israel, Luxemburg 2018 – 97min.

Filmkritik

Nahostkonflikt mal anders

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

So raffiniert und unkonventionell wie in Tel Aviv on Fire wurden die israelisch-palästinensischen Spannungen auf der grossen Leinwand noch nie dargestellt.

Der Palästinenser Salam (Kais Nashif) arbeitet als Praktikant für die erfolgreiche Soap-Opera "Tel Aviv on Fire". Um zur Arbeit zu kommen, muss er täglich den Grenzübergang zwischen Jerusalem und Ramallah passieren. Am Grenzposten arbeitet der Israeli Assi (Yaniv Biton), dessen Frau keine Folge von "Tel Aviv on Fire" verpasst. Assi nutzt seine Macht als Grenzwächter und fängt an, Salam Vorschriften bei der Gestaltung des Inhalts zu machen. Der wiederum sieht seine Chance gekommen, zum Dialogschreiber aufzusteigen, gerät jedoch in Schwierigkeiten, da die Änderungswünsche von Assi dem arabischen Produzenten nicht passen.

Von Geburt an hat Regisseur Sameh Zoabi die Auseinandersetzungen im israelisch-palästinensischen Konfliktgebiet hautnah miterlebt. Er wuchs in einem kleinen palästinensischen Dorf unweit von Nazareth auf. Tel Aviv on Fire, der für rund zweieinhalb Millionen Dollar in Israel und Luxemburg gedreht wurde, ist Zoabis erster Film seit Under the same sun von 2013.

Die Kunst von Tel Aviv on Fire besteht darin, sich eines politisch und gesellschaftlich höchst brisanten Themas anzunehmen – ohne dieser politischen Dimension jedoch allzu viel Beachtung zu schenken und Raum zu geben. Dass Zoabi grosse Teile seiner klugen, hintersinnigen Komödie dennoch ausgerechnet und direkt in diesem konfliktbeladenen Grenzgebiet ansiedelt, zeugt von gehörigem Mut und Eigensinn. „Nicht alles ist politisch“, sagt Assis Frau einmal. Ein klares Statement, das sie eigentlich auf die Soap-Opera bezieht. Es spiegelt allerdings ebenso ganz wunderbar die Botschaft des Films wider.

Es kommt zu herrlich schrägen Szenen und geistreichen Momenten, wenn filmische Fiktion (die TV-Serie) und Realität immer wieder unmittelbar miteinander verschmelzen. Etwa, wenn Salam die ihm von Assi vorgegebenen Dialogzeilen an den aberwitzigsten Stellen in der Serie einbaut. Oder den Darstellern teils absurde Sätze in den Mund legt. Sätze, die Salam in seinem Alltag aufschnappt, ob im Restaurant oder im Gespräch mit Grenzern.

Tel Aviv on Fire nimmt darüber hinaus die Theatralik und das Pathos (vor allem) US-amerikanischer Seifenopern genüsslich aufs Korn. In der gleichnamigen TV-Serie des Films treffen kitschige Dialoge und inhaltliche Klischees auf künstlich verstärkte (Pastell-)Farben und übertriebene Kamerabewegungen. In der zweiten Hälfte flacht der Film dann allerdings deutlich ab und verliert an Schärfe. Nicht zuletzt, weil er seinen Schwerpunkt auf Romantik und Emotion legt. Zu aufgesetzt und wenig glaubwürdig wirkt zum Beispiel eine sich zwischen Salam und seiner Nachbarin anbahnende Liebesgeschichte, die man sich hätte sparen können.

15.05.2019

3.5

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Kommentare

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Berufsromantiker

vor 5 Jahren

Ein wunderbarer Film mit romantischen Akzenten, überzeugenden Schauspielern und einem Einblick in den permanenten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Das Ganze so witzig verpackt, dass mir erst hinterher die ganze Tragweite der Lebenssituation der Bewohner dort klar wurde. Ich kann diesen Film nur empfehlen.Mehr anzeigen


selinaburri

vor 5 Jahren

Ein sehr unterhaltsamer, witziger Film, ein grandioser Hauptdarsteller!


thomasmarkus

vor 5 Jahren

Die vielen positiven Besprechungen haben meine Erwartungen fast etwas zu hoch geschraubt. Aber hab mich dennoch köstlich amüsiert - und: Eigentlich gibt die Situation ja auch wenig zu lachen. Gut, gab es drum auch düstere Szenen. Die Mauer, die alles verbaut. So ist der Film ein Stückweit auch ein Lehrstück, zuzuhören. Un vielleicht die heimliche Botschaft herauszuhören, dass der Humor auch in aller Verfahrenheit -etwas- hilft...Mehr anzeigen


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